Seelenband
blieb vor einem großen Hügel stehen.
Verwirrt blickte Valerie sich um. "Ich sehe nichts", sagte sie.
"Das wird sich gleich ändern", versprach er ihr sanft. Dann atmete er tief durch und zog sie plötzlich in seine Arme. "Ich liebe dich und ich werde dir alles erklären", sagte er leise. "Bitte vergiss das nicht, was auch immer geschieht."
Überrascht wollte Valerie fragen, was er damit in aller Welt bloß meinte, doch er sah sie nur entschuldigend an und wandte sich ab. Er drückte auf irgendeine Art Knopf, der unter dem Moos des Hügels verborgen gewesen war und plötzlich konnte Valerie in eine kleine Höhle blicken. Ein Kraftfeld! fuhr es ihr aufgeregt durch den Kopf. Sie hatte gerade ein echtes Kraftfeld gesehen!
Aus der Höhle ertönte ein leises Wimmern und als Valerie John folgte, der augenblicklich hereingestürmt war, konnte sie in der Ecke ein kleines Mädchen erkennen, das er nun behutsam aufhob und an seine Brust drückte. Er sprach mit leiser Stimme fremdartig klingende Worte auf sie ein, die wohl beruhigend wirken sollten. Und auf einmal ergab für Valerie alles einen Sinn. Die regelmäßigen Besuche, seine Angst, seine Fragen nach ihrem Kinderwunsch. Erschüttert ließ sie sich zu Boden sinken. John hatte bereits eine Tochter!
Als sich die Kleine in Johns Armen ein wenig beruhigt hatte, sah er Valerie zum ersten Mal, nachdem sie die Höhle betreten hatten, an. Zögernd kam er näher und setzte sich neben sie auf den Boden. "Das ist Nalla", stellte er das Mädchen gefasst vor.
"Deine Tochter", fügte Valerie tonlos hinzu.
Er nickte. "Sie ist alles, was mir von meinem Leben, meinem
alten
Leben", korrigierte er sich schnell, "geblieben ist."
"Wieso hast du mir nichts von ihr erzählt?" fragte sie leise, um das Kind, das anscheinend eingeschlafen war, nicht zu stören. Außerdem war sie selbst zu müde zum Schreien.
"Ich hatte Angst, dass es zu viel für dich sein könnte."
"Und stattdessen hast du sie ganz allein in diese Höhle gesperrt?" fragte sie fassungslos. "Was für ein Vater bist du eigentlich?" Sie sah ihn anklagend an.
"Ich habe sie nicht allein gelassen!" widersprach John energisch. "Zumindest nicht so, wie du das meinst! Was denkst du eigentlich von mir?"
Valerie zuckte mit den Schultern. Selbst wenn sie die Antwort darauf gewusst hätte, hatte sie keine Lust, eine längere Diskussion zu beginnen.
"Nalla war im Dauerschlaf", erklärte John schließlich, als von Valerie keine Reaktion kam. "Sie hätte noch gut zwei Wochen hier bleiben können, dann hätte ich sie zu mir geholt."
"Das Zimmer ist für sie. Und der dritte Stuhl", sagte Valerie zusammenhangslos.
John starrte sie verwirrt an, doch sie sagte nichts weiter.
Nun, da seine Tochter in Sicherheit war, machte er sich Sorgen um Valerie. Die Ereignisse hatten sich überschlagen und sie einfach mit sich gerissen. Er hoffte, dass sie ihm dennoch würde verzeihen können. "Ich weiß, dass du verletzt und wütend bist, Valerie", hob er vorsichtig an.
"Das trifft es nicht einmal annähernd", erwiderte sie abweisend.
John schluckte. Das Kind in seinen Armen begann sich zu regen. "Können wir meine Tochter bitte erst hier raus bringen?" bat er Valerie leise.
"Klar doch", erwiderte sie kühl.
Ihre Gleichgültigkeit machte John richtig Angst, doch im Augenblick konnte er nichts dagegen tun. "Kannst du Nalla vielleicht halten, während ich ein paar Dinge zusammenpacke?"
"Wenn du das für ratsam hältst", erwiderte sie, streckte aber immerhin ihre Arme nach dem Kind aus. Sanft ließ John seine Tochter in Valeries Arme gleiten und sah erleichtert zu, wie sie das Kind unwillkürlich enger an ihren Körper drückte. Dann suchte er alles zusammen, das er noch gebrauchen konnte, und legte es in einen Rucksack. Das Medi-Kit kam zuletzt und er wühlte darin herum, bis er das Richtige fand. Damit ging er zu Valerie herüber und umfasste vorsichtig ihr schmerzendes Knie. Sie sog hörbar die Luft ein, als er den kleinen Zylinder, den er in der Hand hielt, dagegen drückte.
"Was ist das?" fragte Valerie nervös.
"Es nimmt dir den Schmerz und lindert die Schwellung."
"Bist du sicher, dass es auch bei Menschen wirkt?" wandte sie besorgt ein.
"Ganz sicher. Und jetzt halt still, es könnte ein wenig pieksen."
Valerie hörte ein leises Klicken und spürte den leichten Einstich einer dünnen Nadel. Augenblicklich ließ das Pochen in ihrem Knie nach. "Es scheint zu helfen", sagte sie und beugte versuchsweise das Bein. "Viel besser", stellte sie zufrieden
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