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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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jetzt gut tun, oder?" fragte sie John unsicher, als sie ebenfalls ins Arbeitszimmer trat. Dann musterte sie das Mädchen auf der Couch nervös. Sie hatte keine Ahnung von Kindern.
John nickte dankbar, dann begann er damit, sanft die Schläfen des Mädchens zu massieren.
"Was tust du da?" fragte Valerie neugierig.
"Ich versuche, sie aufzuwecken."
"Und wieso wacht sie nicht auf?"
"Sie ist in Trance. Das ist ein Schutzmechanismus des Geistes, wenn es zu viel für einen wird", erklärte er.
Valerie seufzte. So eine Fähigkeit könnte sie im Augenblick gut gebrauchen. Einfach die Augen schließen und nach hinten kippen. Plötzlich musste sie ein hysterisches Lachen unterdrücken, als sie sich John hilflos mit
    zwei
bewusstlosen Frauen vorstellte.
Schließlich öffnete Nalla die Augen und sah ihren Vater verwirrt an. Er sagte etwas zu ihr, was sie vermutlich beruhigen sollte, und trug sie ins Badezimmer herüber. Während er seine Tochter badete, suchte Valerie ein paar Handtücher zusammen und durchwühlte dann ihren Schrank nach etwas, das Nalla als Nachthemd dienen konnte.
Schließlich fand sie ein altes T-Shirt mit bunten Schmetterlingen darauf und legte es auf die Handtücher. Vor der Badezimmertür blieb sie schließlich zögernd stehen. Es kam ihr albern vor, aber sollte sie klopfen? Sie ließ ihre Knöchel zweimal leise gegen die Holztür trommeln und trat dann ein. Bei dem Anblick, der sie erwartete, musste sie plötzlich lächeln. Das Mädchen sah aus wie ein Engel. Sie lag so tief im Wasser, dass nur ihr Gesicht herausschaute, und ihre blonden Haare umrahmten ihren Kopf wie ein Heiligenschein.
John war gerade damit beschäftigt, sie ganz mit Badeschaum zu bedecken. Und jedes Mal, wenn Schaumflocken ihrem Gesichtchen zu nahe kamen, pustete die Kleine sie kichernd fort. John lächelte ebenfalls. Und Valerie beneidete die Kleine. Wie wenig man in dem Alter doch brauchte, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen.
"Ich habe hier ein Paar Sachen für sie", sagte sie zu John und legte die Handtücher und das T-Shirt auf einen niedrigen Schrank. "Ich bin im Wohnzimmer, falls du noch etwas brauchst." Sie wandte sich ab. Sie war sich nicht sicher, ob John noch etwas zu ihr sagte, denn sie machte schnell die Tür hinter sich zu und ging ins Arbeitszimmer. Dort machte sie noch rasch das Bett für seine Tochter bereit und schnappte sich eines der herumliegenden Manuskripte. Derart ausgerüstet, ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich in ihren Sessel. Und doch machte sie nicht einmal den Versuch, in dem Manuskript zu blättern. Sie zog ihre Knie eng an ihren Körper heran und starrte einfach in die Nacht hinaus.
Irgendwann kam John endlich zu ihr. "Valerie?" fragte er leise in die Dunkelheit. Als von ihr keine Antwort kam, schaltete er das kleine Leselicht ein und kniete sich vor ihr hin. "Bitte, sprich mit mir", sagte er beschwörend.
Sie schüttelte stumm den Kopf. Sie wusste, wenn sie den Mund aufmachte, würde der Zusammenbruch kommen, den sie so lange und so tapfer unterdrückt hatte.
"Bitte vergib mir", flüsterte John erschrocken und legte seine Wange auf ihr Knie.
Sie sagte nichts, stieß ihn aber auch nicht fort.
"Ich weiß, du bist wütend und verletzt", versuchte John es noch einmal. "Und du hast auch jedes Recht dazu. Dann sag es mir, sag es mir ins Gesicht! Lass es raus, Valerie!"
Sie schwieg so lange, dass er schon fast nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte.
"Wieso hast du es mir nicht gesagt?" fragte sie schließlich leise.
"Ich hatte Angst gehabt", gab er augenblicklich zu.
"Du hast mir nicht vertraut", stellte sie tonlos fest.
"Nein, das ist es nicht. Nein", flüsterte er eindringlich. "Aber du hast selbst gesagt, dass du noch keine Kinder wolltest..."
"Das ist nicht dasselbe und das weißt du auch!" unterbrach sie ihn aufgebracht. "Es war immerhin kein hypothetisches Kind, von dem du gesprochen hattest. Es war verdammt noch mal bereits da!"
"Dennoch hatte ich Angst, du würdest mich nicht wollen, wenn du von ihr erfährst."
Valerie schnaubte verächtlich. "Und du behauptest, mein Seelengefährte sein zu wollen! Ist das deine Vorstellung von Ehrlichkeit?" Sie schluchzte hysterisch. "Wie konntest du nur?"
"Und ... Ich wollte ...", er stockte. "Ich wollte meine Tochter nicht einer Situation aussetzen, in der sie nicht willkommen wäre ..."
Valerie schnappte empört nach Luft.
"Du warst noch nicht bereit...", versuchte John, es ihr zu erklären.
"Nicht bereit? Nicht bereit?!" Valeries Stimme nahm einen

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