Seelenbrand (German Edition)
junge Pfarrer sind, der brav am Kaffeetisch sitzt.«
»Diese alten Drachen!« fiel er ihr ins Wort.
Kichernd hielt sie sich die Hand vor dem Mund. »Also kurz gesagt: ich soll hier ein bißchen spionieren!«
»Ein Spion in meinem Pfarrhaus?« Mit gespielter Entrüstung schlug er auf den Tisch und erhob sich. »Aber wenn wir uns damit die alten Krähen vom Hals halten ...«, raunte er ihr konspirativ zu, »... dann spionieren Sie mal schön!«
Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß Marie diesen hinterhältigen Alten aus dem Pfarrkomitee nur das Beste über ihn berichten würde. Die Neugier, das Rätsel um ihren alten Pfarrer zu lösen, war doch viel größer als ihre Liebe zur Wahrheit.
»Ach ...«, er wollte gerade die Küche verlassen, um die Trümmer der zerschlagenen Statue auf dem Friedhof zu vergraben, »... und legen Sie bitte alle Töpfe und Pfannen, die wir in der Küche haben, auf den Tisch. Wir brauchen sie später.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, trat er aus der Haustür und ging zur Kirche hinüber.
»Glauben Sie, daß es funktioniert?« Marie trug schwer an ihrem Korb und ächzte bei jeder Treppenstufe.
»Was haben Sie denn da alles eingepackt?« Pierre sah sich zu ihr um und polterte mit den großen Holzkisten bei jedem Schritt gegen die Wände des engen Treppenaufgangs.
»Sie haben mir doch gesagt, daß ich etwas zu Essen mitnehmen sollte, und daß es die ganze Nacht dauern könnte.«
»Wir sind gleich oben«, schnaufte er und wuchtete die Bretterkisten einzeln durch die Luke am Ende der Treppe auf eine Art Plattform, die an der Spitze des kleinen Glockenturms lag. »Warten Sie, ich helfe Ihnen mit dem Korb!« Er kniete sich niederund hob die schwere Last durch die Luke in den kleinen quadratischen Raum, in dem – an einer wuchtigen Aufhängung am Dachgebälk – eine kleine Glocke schlummerte.
»Jetzt lebe ich schon so viele Jahre hier in Rennes«, sie zupfte sich die Haare zurecht, die sie wie immer hochgesteckt trug, »aber hier oben bin ich noch nie gewesen.«
In jede der vier Außenwände des Raums waren zwei große bogenförmige Fensteröffnungen gemauert, die den himmlischen Schall der Glocke ungehindert an die Ohren der Pfarrkinder dringen lassen sollten.
»Eine ganz schön zugige Angelegenheit hier oben, nur gut daß wir Sommer haben.« Pierre rückte die Holzkisten zurecht und ließ sich auf einer nieder. »Ja«, prüfend klopfte er mit der Hand gegen das Holz, »ich glaube, so kann man es hier aushalten.«
Marie reckte währenddessen ihren Kopf aus den großen Fensteröffnungen. »Sie hatten recht, man kann wirklich alles überblicken.«
Er trat zu ihr an die Maueröffnung. Der Kirchturm war zwar nicht so hoch, wie der Name vermuten ließ, aber man konnte von ihm – Pierre sah zum verkohlten Dachstuhl der Villa hinüber, der fast auf gleicher Höhe im dämmrigen Licht der Abendsonne lag – unauffällig das gesamte Areal beobachten.
»Sehen Sie mal da unten!« Marie war zur anderen Seite hinübergegangen und lehnte sich hinaus. »Von hier kann man direkt in das Grab sehen, in dem der Luftschacht hinuntergeht!«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, daß der Turm perfekt ist. Da hinten in der Ecke, in diesem unauffälligen Loch hinter dem großen Grabstein, hab’ ich übrigens die Reste unseres Dämons vergraben. Und von hier ...«, er ging auf die andere Seite, »... haben wir einen freien Blick auf das Pfarrhaus und den Kirchplatz.«
»Glauben Sie, daß dieses Phantom auch wirklich kommt?«
Pierre zuckte mit den Schultern. »Tja, wir müssen es versuchen!« Die Sonne war gerade hinter dem Horizont versunken, als sie die zwei Kerzen entzündeten, die er mitgebracht hatte. »Jetzt haben wir wenigstens ein bißchen Licht!«
Die Laternen in den Häusern brannten und von hier oben war es so, als betrachtete man eine Zwergenstadt. Die Menschen, die noch unterwegs waren, spazierten die Dorfstraße entlang undein Teil von ihnen bog am Ende zur kleine Schenke ab, aus der lautes Lachen und ein summendes Stimmengewirr drang.
»Ich wußte gar nicht«, Pierre blickte in den sternenklaren Himmel, »daß ich so viele Pfarrkinder habe. Wenn nur die Hälfte von denen aus dem Wirtshaus zu mir in die Kirche käme, wär’ ich schon zufrieden.«
»Warten Sie’s nur ab, und haben Sie ein wenig Geduld! Die Leute werden schon kommen.« Mit einem Seufzer ließ sich Marie auf ihrer Holzkiste nieder und lehnte sich gähnend an die Wand.
»So, die Schnüre sind überall gespannt.« Er sah Marie
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