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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Brecheisen aus dem Sand, mit dem er in der letzten Nacht die Grabplatte beiseite geschoben hatte, und machte Anstalten seinen Frevel rückgängig zu machen.
    »Haben Sie das Grab für den Alten geschaufelt?«
    »Nein! Das war ja das Unheimliche ... während der Arbeiten an der Kirche hat er plötzlich selbst damit angefangen. Sehen Sie mal hier!« Der Totengräber klopfte mit der eisernen Stange gegen die Innenwände des Grabes. »Das hier ist nicht nur ein Loch in der Erde, wie all die anderen Gruben ... die Wände sind gemauert und der Boden ...«, er beugte sich über die Öffnung und ließ einen dicken Stein hineinfallen, der mit einem dumpfen Laut auftraf, »... besteht aus Holzbohlen.«
    »Ist das nicht ungewöhnlich?« Pierre kniete sich nieder und hebelte mit einer Schaufel und mit der Hilfe seines Gastes die Steinplatte wieder an ihre ursprüngliche Stelle über das Grab.
    »Ungewöhnlich?« Jacques stellte seine Brechstange zur Seite und sah ihn ernst an. »Kurz vor seinem Tod hat er mir gesagt: ›Jacques, mein Freund, bald ist alles vorbei. Wir werden alle in die Hölle fahren ... und ich werde euch vorangehen!‹« Zitternd wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »›Es gibt ... keinen Gott!‹ hat er gesagt. ›Nur die ewige Finsternis. Gott ist tot! Und ... unsere Seelen wären für immer verloren!‹«
    Sie setzten sich auf das benachbarte Grab von Marie Denarnaud. »Er hätte irgendein Schwert gefunden ... und damit hätte er Gott umgebracht. Er hätte ihn einfach umbringen müssen !« flüsterte der Totengräber nach einer Weile und schüttelte den Kopf. »Ich hab’ keine Ahnung, was er damit gemeint hat. Und als er angefangen hat, sich sein Grab zu schaufeln, da erfreute er sich noch der allerbesten Gesundheit. Das ist mir in meinen ganzen Jahren als Totengräber auch noch nicht vorgekommen, daß sich einer meiner Kunden selbst ... na Sie wissen schon. Außerdem ...«, er war offensichtlich erleichtert, daß ihm jemand zuhörte, und er sich endlich seine schwarzen Gedanken von der Seele reden konnte, »... und das war fast noch seltsamer: Seine Haushälterin hat doch tatsächlich schon fünf Tage vor seinem Tod einen Sarg bei mir bestellt ... und dabei war dem Alten nicht im Entferntesten anzusehen, daß er bald ...«
    Pierre schnaufte. »Ja, Sie haben recht, das ist wirklich eine seltsame Geschichte.« Er deutete auf das Grab unter ihnen. »Was ist eigentlich mit ihr? Kannten Sie sie?«
    »Ja, natürlich! Jeder hier im Dorf kannte Marie Denarnaud! Als ganz junges Ding hat sie bei ihm im Pfarrhaus als Haushälterinangefangen. Die Leute haben sich damals ganz schön das Maul zerrissen, aber dem alten Saunière war’s egal.« Der Totengräber beugte sich an Pierres Ohr. »Sie soll sogar seine Geliebte gewesen sein«, flüsterte er und hob vielsagend seine Augenbrauen.
    »Wie lange war sie seine Hausangestellte?«
    »Hm?« Jacques kratzte sich hinter seinem Ohr und dachte nach. »Sie hat nie geheiratet, obwohl sie beileibe nicht häßlich war, ganz im Gegenteil ... ich hatte regelmäßig mit Abbé Saunière zu tun, wegen der Beerdigungen ... sie war immer bei ihm ... bis zu seinem Tod.«
    Pierre schwieg und nickte seinem Gegenüber aufmunternd zu, fortzufahren.
    »Wissen Sie, Herr Pfarrer«, er rückte näher an Pierre heran, »die Leute mochten sie nicht besonders. Seit dem Tag, an dem der Alte irgendwie zu Geld gekommen war und anfing hier alles umzubauen, stolzierte sie nur noch in der neuesten Mode aus Paris herum und schmückte sich mit Juwelen. Wegen ihres Hochmuts haben wir sie nur noch die Madonna genannt. Und dann ihre Weltreise ...«
    »Weltreise?« Pierre kippte fast hintenüber.
    »Ja«, fuhr der Totengräber mitteilsam fort. »Der Alte hat sie mutterseelenallein auf diese Weltreise geschickt. Stellen Sie sich das mal vor. Sie war fast zwei Jahre weg!« Verständnislos schüttelte er den Kopf. »Und eines Tages, ich mußte gerade mit dem Alten etwas besprechen, stand sie wieder in der Küche des Pfarrhauses ... so als ob nichts gewesen wäre!« Erregt fuchtelte er mit seinen Händen herum. »Viele von uns haben zeit ihres Lebens diesen Flecken nicht einmal für einen Tag verlassen ... aber Madame macht eine Weltreise!« Wütend erhob er sich von der Grabplatte und deutete mit dem Finger drohend auf Marie Denarnauds Grab. »Und glauben Sie, der Bischof hätte dem Treiben hier ein Ende gesetzt? Nein! Hat er nicht!«
    »Aber Abbé Saunière war doch Ihr Freund?« Pierre wollte die

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