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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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wußte also auch nicht, wo er blieb. Und dabei war jeder Mann des Dorfes gekommen, ob freiwillig, oder im Schlepp seiner Frau, heute war es egal. Und auchdie, die ohne Eheweib waren, fühlten sich nach Maries Ansprache im Wirtshaus verpflichtet, gekämmt und rasiert zu erscheinen. Wenn das kein Erfolg ist! Nur wo bleibt dieser verdammte Ehrengast ...?
    Die letzte Note war verklungen und der Hall des Harmoniums verschwand in den steinernen Mauern. Absolute Stille! Alle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Er seufzte und erhob sich. Na, dann eben ohne diesen Zacharias. Auch wenn es für ihn nur noch eine verlogene Zeremonie war, ohne jeglichen Inhalt ... eben ohne einen Gott ... aber die Eltern und das Kind hatten ein Anrecht auf seinen Segen. Er hatte lange mit sich gerungen, ob er es übers Herz brachte, den Menschen in die Augen zu sehen und ihnen gleichzeitig etwas von Jesus Christus vorzulügen ... dem angeblichen Sohn Gottes. Etwas, an das er selbst nicht mehr glauben konnte ...
    Würdevoll schritt er zum kleinen Taufbecken neben dem Altar hinüber und gab den Eltern und Paten mit einem freundlichen Lächeln zu verstehen, sich zu erheben und gemeinsam zu ihm herüberzukommen.
    »Bevor wir Ihre Tochter im Namen unseres Herrn und Jesus Christus taufen können, muß ich Sie fragen: widersagen Sie dem Bösen?«
    Jeder der Anwesenden antwortete mit einem deutlichen: »Ich widersage!«
    »Widersagen Sie den Verlockungen des Bösen, damit es nicht Macht über Sie gewinnt?«
    »Ich wiedersage!«
    »Widersagen Sie dem Satan, dem Urheber des Bösen?«
    Aber noch bevor die Eltern oder Paten der Kleinen ihren letzten Schwur ablegen konnten, wurde die Kirchentür von außen losgerissen, und Pater Zacharias stürmte wutentbrannt in den Kirchenraum. »Wer war das?« schrie er, während er mit einem Gegenstand in der Luft herumfuchtelte und die zwei Stufen zum Altar hochsprang. »Ich will sofort wissen, wer von euch Kindern des Satans das gewesen ist?« Dabei hielt er dieses kleine Etwas, das aussah wie eine Puppe, hoch über seinen Kopf.
    Die Eltern und Paten der kleinen Bernardette erstarrten und sahen Pierre unsicher an, der gerade dabei war, alles für den letzten Akt der Taufe über dem Wasserbecken vorzubereiten. Daswar doch wohl nur ein schlechter Traum, oder? Er wollte seinen Augen und Ohren einfach nicht trauen.
    »Sehen Sie sich das an!« fauchte Pater Zacharias mit glühendem Blick und hielt Pierre die kleine Puppe hin.
    Fast wäre er dieser Anordnung ohne zu zögern gefolgt, aber dann besann er sich doch eines Besseren. Hier waren sie schließlich in seiner Kirche. »Sie stören unsere Taufzeremonie«, antwortete Pierre scharf. Aber der Hakennasige schien das zu ignorieren und hielt ihm wieder dieses Etwas hin. Oh, oh! Eine kleine Holzfigur des leibhaftigen Satans.
    »Irgend jemand«, der tobende Alte wandte sich an die erstarrte Gemeinde, »hat mir diesen Teufel in meinen Wagen gelegt.« Seine Augen funkelten und seine Reißzähne blitzten, seine Stimme verwandelte sich in ein bedrohliches Knurren. »Und wenn sich diese Kreatur des Bösen nicht sofort bei mir meldet«, drohend hob er seine Hand, »werde ich dafür sorgen, daß er im ewigen Feuer der Hölle brennen wird! Genau wie euer von Gott verstoßener Abbé Saunière!« Jetzt schrie er. »Der es nicht wert war, diesen heiligen Titel zu tragen!« Wild fuchtelte er mit der Figur in der Luft herum, als sich eine kleine Kette von deren Hals löste und Pierre direkt vor die Füße rutschte. »Ihr alle seid die Werkzeuge des Teufels!« Sein Gesicht war verzerrt, wie das eines Irren. »Dieser ganze Ort hier ist verflucht!«
    Pierre traute seinen Augen nicht. An der kleinen Kette, die gerade noch um den Hals des Teufels gehangen hatte, und die jetzt vor seinen Füßen lag ... hing ein Medaillon mit zwei ineinander geschlungenen Davidsternen!
    »Jetzt reicht’s aber!« Pierre stellte sich entschlossen zwischen Zacharias und die Leute, die völlig verängstigt und stocksteif in ihren Bänken saßen.
    Rodrigues, der nur wenige Schritte hinter diesem alten Aasgeier hereingestürzt war, und der bis jetzt einige Meter von ihnen entfernt gestanden hatte, kam auf Pierre zugehechtet, offensichtlich, um seinem Herrn bei einem Handgemenge beizustehen.
    »Komm nur her!« rief Pierre. »Wir beide haben sowieso noch eine Rechnung offen!«
    Rodrigues blieb augenblicklich – wie ein gescholtener Köter – stehen und sah seinen Vorgesetzen unsicher an.
    »Wir haben hier eine Taufe!«

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