Seelenbrand (German Edition)
wiederholte Pierre drohend und sah seinem Gegenüber in die stahlblauen Augen. Jeder Nerv und jede Sehne im Gesicht des Dominikaners zuckte und ließ ihn wie einen Wahnsinnigen aussehen ... aber er schien zu überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte. Als Rodrigues einen Schritt auf Pierre zumachte, gebot ihm der Alte mit einer kurzen Handbewegung stehenzubleiben, ohne seinen Blick von Pierres Gesicht zu nehmen. Sie standen so dicht voreinander, daß sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Das Kirchenvolk saß immer noch stocksteif und ohne zu atmen in den Bänken. Niemand wagte es, auch nur einen Mucks von sich zu geben.
Ich bin ohnehin fertig mit der Kirche! Wenn diese Hakennase und sein tollwütiger Gehilfe jetzt eine handgreifliche Auseinandersetzung wollten – vor aller Augen – dann konnten sie sie haben. Hier in der Kirche! Seine Soutane würde ihn nicht davon abhalten ...
Zacharias’ Spannung löste sich. »Na gut!« zischte er drohend in Richtung der Gläubigen. »Wie ihr wollt! Wenn sich niemand freiwillig zu dieser frevelhaften Tat bekennt, dann werde ich so lange in diesem gottlosen Rattennest bleiben, bis ich den Schuldigen selbst gefunden habe.« Er wischte sich erregt den Mund ab.
»Wir wollen jetzt weitermachen!« drängte Pierre mit fester Stimme.
Pater Zacharias drehte sich langsam zu ihm um und nickte. »Aber glauben Sie nicht, daß Sie mich hier so bald wieder loswerden«, sagte er leise und sah ihn mit funkelnden Augen an. »Wenn Sie nicht die Kraft haben, dem Bösen an diesem Ort entschieden entgegenzutreten und dem Satan sein Handwerk zu legen ...«, er tippte sich mit dem Finger an seine Brust, »... ich habe sie! Und ich werde nicht eher gehen, bis ich die letzte dieser Seelen ...«, er deutete in den Kirchenraum, »... aus seinen Klauen befreit und der Heiligen Mutter Kirche zurückgegeben habe!«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können!« fauchte Pierre und wies ihm mit der Hand den Weg zur Tür. »Aber jetzt gehen Sie!«
Zacharias überlegte einen Augenblick und stieg dann langsam die zwei Stufen hinunter.
»Diese Taufe ist ungültig!« rief er plötzlich in den Kirchenraum hinein. »Ihr seid alle des Teufels ... wie euer toter Pfarrer, der in seinem Grab keine Ruhe findet ... und eine Taufe ... durchTeufel ... ist ohne den Segen Gottes! Und das Kind ...«, er zeigte auf die Eltern mit dem kleinen Mädchen, die immer noch erstarrt am Taufbecken warteten, »... es ist ein Kind des Satans!«
»Raus!« schrie Pierre. »Sofort raus! Oder ich werde Sie eigenhändig hinaus werfen!« Er stürmte auf den kahlköpfigen Dominikaner zu und wollte gerade Hand anlegen.
»Ist schon gut!« sagte der knapp. »Ich gehe! Aber eines Tages werden Sie mir auf Knien danken, daß ich da war, als Ihnen die Kraft fehlte, für unseren Herrn einzutreten!« Langsam schritt er durch den Mittelgang, an den erstarrten Kirchenbesuchern vorbei, zur Tür, während er die Gesichter rechts und links eindringlich beäugte. Rodrigues, der zur Tür gehastet war, und diese für seinen Herrn offenhielt, sah mit seinem Höllenblick noch einmal zu Pierre hinüber, bevor er wortlos nach draußen verschwand.
Pierre holte tief Luft. »Bitte setzen Sie sich einen Moment!« Er lächelte den Eltern und Paten zu, die immer noch unschlüssig am Taufbecken ausharrten. »Lied 248! Alle Strophen!« rief er der alten Tante am Harmonium zu, die einen Augenblick brauchte, um ihre Gedanken zu sammeln, ehe der erste Ton erklang.
Dieses Lied war mit ihr zwar nicht abgesprochen, aber es hatte sechs Strophen! Und das gab ihm einen Augenblick Zeit, seine Gedanken zu ordnen.
Der Drachen vom Pfarrkomitee, der sich dankenswerterweise an diesem Instrument abquälte, mußte erst in Schwung kommen. Die unvorhergesehene Auseinandersetzung in der Kirche hatte wohl auch der alten Tante zugesetzt. Wegen ihrer Nervosität entließ sie zunächst manch schrägen Ton aus ihrem Harmonium, ehe der eine oder andere Kirchenbesucher zaghaft mit in das Lied einstimmte.
Tja, das war ja gerade wohl meine offizielle Kündigung! Wer einen Abgesandten des Bischofs aus der Kirche warf, der hatte sein Dasein im Kirchendienst verwirkt. Und trotzdem! Diese Taufe – vielleicht die letzte seines Lebens – würde er mit Würde zu Ende bringen. Das war er den Leuten schuldig, die hier so zahlreich erschienen waren.
Nach dem eigentlichen Taufvorgang, der nun wie geplant vollzogen werden konnte, und dem anschließenden Segen, bat er die Gemeinde noch kurz um
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