Seelenbrand (German Edition)
außer Wein sowieso nichts zu holen, das weiß doch jeder!« rief ein Mann, und alles lachte.
»Maurice, sag’s ihnen!« rief der Totengräber nach vorn.
Ein unauffälliger Mann am Mittelgang lief bis über beide Ohren feuerrot an und zerknautschte mit verkrampften Händen seinen schäbigen Hut. Außer einem zaghaften Nicken brachte der Angesprochene, der ebenfalls unter den Blicken seiner Mitmenschen zusammenzuschmelzen schien, nichts heraus. Aber das reichte dem Publikum, und alles klopfte sich amüsiert auf die Schenkel.
Pierre bewunderte den Totengräber für seinen Mut, die Sache mit dem Teufel vor aller Öffentlichkeit auf seine Kappe zu nehmen, obwohl er genau wußte, daß man ihn dafür die nächsten Tage mit Hohn und Spott übergießen würde. Aber er hatte ihm mit dieser öffentlichen Beichte wirklich einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Vielleicht gelänge es ihm jetzt, die Gläubigen zu beruhigen und das Leben in der Pfarrei wieder in ruhigen Bahnen ablaufen zu lassen. Irgendwie fühlte er sich immer noch für diese Menschen verantwortlich, auch wenn er seine grundlegenden Zweifel an der Aufrichtigkeit der Kirche hatte. Aber das war ja etwas ganz anderes. Die Unruhe in der Kirche verlangte aber nun nach seinem Eingreifen.
»Wir wollen ...«, sagte er schließlich mit lauter Stimme, »... wir wollen ...«, wiederholte er ein zweites Mal – aber deutlich nachdrücklicher – ehe das Geplapper langsam verstarb, »... wir wollen unserem Bruder Jacques«, er wies auf die zusammengesunkene, schwitzende Gestalt in der letzten Bankreihe, »... danken, für seinen Mut, die Wahrheit vor aller Augen zu bekennen!«
Gemurmel und dann anerkennendes Nicken von rechts und links. Ein dankbares Lächeln des reuigen Sünders, und das Thema war vorerst erledigt.
»Aber bevor ich Sie endgültig gehen lasse ...«, Pierre hob den drohenden Zeigefinger und ging währenddessen langsam durchden Mittelgang zum Altar zurück, »... muß ich Ihnen sagen ...«, er stieg die Stufen hinauf, »... daß ich zwar nicht weiß, wer unserem lieben Gast Pater Zacharias ...«, verschämtes Grinsen aus den Bänken, »... diesen Streich mit der Puppe gespielt hat, aber ich kann Ihnen versichern, daß das nicht sehr schlau war!«
Betretene Gesichter in den Bankreihen.
»Dadurch werden wir unseren Pater auch nicht schneller los!«
»Was will der überhaupt von uns?« rief eine Frau.
»Er will im Auftrag des Bischofs nachsehen, ob wir alle ...«, er legte sich die Hand auf die Brust, »... und damit bin auch ich gemeint ... gute und gläubige Kinder der Heiligen Mutter Kirche sind! Und diese dumme Tat hat nicht dazu beigetragen ihn in jener Annahme zu bestärken.«
Schweigen.
»Also bitte ...«, er erhob nochmals seinen Zeigefinger, »... wenn Sie in unserem Dorf etwas Ungewöhnliches sehen, vielleicht diese schwarzgekleidete Person, die hier herumschleichen soll, dann melden Sie mir das im Pfarrhaus! Und wenn Sie nicht selbst kommen wollen, hinterlegen Sie beim Wirt in der Schenke einen Zettel. Aber ...«, er drohte dem versammelten Kirchenvolk abermals nachdrücklich mit dem bereits bekannten Zeigefinger, »... lassen Sie um Himmels willen diesen Pater in Ruhe!«
Schweigen und hier und dort verzagtes Nicken.
»Na gut!« seufzte er schließlich unüberhörbar in den Raum und breitete seine Hände aus.
»Der allmächtige Gott, der himmlische Vater segne und behüte euch auf euren Wegen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gehet hin in Frieden. Amen!«
Erleichtert wandte er sich nochmals der alten, aber eifrigen Tante am Harmonium zu, die schon in angespannter Position dasaß und auf die erlösenden Worte wartete.
»Schlußlied. Alle Strophen!«
14
»Hast du die Kirchentür auch wirklich von innen abgeschlossen?« Pierre schulterte die große Spitzhacke und hing sich das dicke Seil um den Hals.
»Ja doch!« Marie griff sich die beiden Laternen und den Kanister mit dem Petroleum. »Und den Riegel hab’ ich auch vorgeschoben.«
»Gut! Das Letzte was wir jetzt brauchen, wäre ein Besuch von Pater Zacharias, der uns dabei überrascht, wie wir in die Unterwelt der Pfarrei abtauchen.«
Sie standen vor dem Altar, und Pierre suchte etwas auf dem Boden. »Wohin ist der alte Griesgram eigentlich nach der Messe verschwunden? Wir sind ihn doch nicht schon wieder los?«
»Tante Pauline hat gesagt, daß die Koffer noch da sind. Monsieur Alphonse hat sie in ihrem Automobil in Windeseile auf der Dorfstraße
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