Seelenbrand (German Edition)
Kirche.«
»Haben Sie deshalb das Kreuz, das früher an Ihrem Kamin gehangen hat, weggenommen?« fragte Pierre zwischen zwei Gabeln voll Ei.
»Sie haben es gesehen?« Severin war verdutzt.
»Ja! Erinnern Sie sich an diese Alraunensalbe ... ich war doch bei Ihnen?«
Severin fiel es sichtlich schwer, seine Gedanken zu ordnen und sich der Dinge zu erinnern.
Als das Feuer im Dachstuhl der Villa – während des Gewitters – ausgebrochen war, war der Bruder die ganze Zeit in seiner Nähe gewesen. Er konnte das Feuer überhaupt nicht gelegt haben, und daß es Brandstiftung war, darüber gab es für Pierre überhaupt keinen Zweifel. Ganz im Gegenteil: Es war schließlich Severin, der ihn auf die Ruine der Blancheforts aufmerksam gemacht hatte. Irgendwie war dieses kleine Häufchen Elend doch gar nicht in der Verfassung, die Rolle dieses heimtückischen Phantoms zu spielen. Ihm fehlten einfach die Nerven dazu, sich hinter irgendwelchen Ecken und Büschen zu verstecken. Die Mengen Arsen, die er bei diesen Gelegenheiten dann bräuchte, eben um seinen flatternden Geist ruhigzustellen, die hätten ihn garantiert schon umgebracht. Soviel wußte schließlich jeder über die Wirkung dieses außergewöhnlichen Mittels.
»Warum haben Sie das Kreuz vom Kamin genommen?« Pierre wischte sich den Mund ab.
Severin holte erneut das kleine Behältnis mit dem Arsen aus der Tasche und wollte es gerade öffnen, um sich einen großen Löffel davon zu nehmen.
»Schluß damit!« Pierre griff sich das kleine Döschen und steckte es in seine Hosentasche. »Ich sehe doch nicht zu, wie Sie sich in meiner Küche umbringen!«
Bruder Severin sah ihn hilflos an, und seine wild umherstehenden Haare hatten sich noch mehr aufgerichtet.
»Sie können nicht ewig davonlaufen!« Er sah zu Marie hinüber, die ihre Tasse abgestellt hatte und erstaunt zuhörte. »Sie müssen sich Ihren Problemen stellen!« Er machte eine Faust und hielt sie in die Luft. »Hören Sie auf, Ihren Geist zu betäuben!«
Jaja! Das muß gerade i c h sagen! Der schöne Cognac, den er vorhin aus dem Fenster gekippt hatte, war noch nicht mal im Erdboden versickert, und da schwang er schon derartige Reden.
»Aha?« Marie konnte sich diesen provokativen Laut wohl nicht verkneifen und nickte herüber.
Pierre machte eine Handbewegung in ihre Richtung. »Bitte unterbrich uns jetzt nicht!« Er wußte doch genau, was sie sagen wollte.
Severin, der von dem ganzen Hin und Her überhaupt nichtsmitbekam, und der, jetzt wo er auch noch seines Arsens beraubt war, völlig orientierungslos war, zuckte zusammen, als ihn Pierre mit der Faust leicht gegen den Oberarm boxte. »Na ... was ist nun mit diesem Kreuz?« Da sich der Kräuterbruder immer noch nicht zum Sprechen bringen ließ, mußte eben schwereres Geschütz her – in aller Freundschaft natürlich! »Glauben Sie etwa, der stinkende Olivier da draußen hätte genausoviel Geduld mit Ihnen?«
»Pierre!« schimpfte Marie laut. »Wie kannst du nur! Schäm dich, ihm solche Angst zu machen!«
Ja, natürlich ist das gemein! Aber vielleicht funktioniert es ... wir haben ja schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.
Severin schwankte offensichtlich immer noch, aber man merkte, daß etwas in ihm mit aller Macht an die Oberfläche drängte. Etwas, das er jedoch mit aller Gewalt dort unten halten wollte, wo es war. »Ich habe es geschworen!« japste er schließlich und sah Pierre flehend an. »Ich ... ich darf es nicht verraten!«
Sackgasse! So kommen wir nicht weiter. Pierre steckte sich eine besonders große Menge von dem Ei in den Mund und stopfte noch ein großes Stück Brot hinterher, so daß man ihn kaum verstehen konnte. »Wenn es wegen dieser Sache mit Jesus ist und seiner Kreuzigung ...«, er machte eine lässige Handbewegung, »... darüber wissen wir schon lange Bescheid!«
Stille. Der von ihm – aus dem Hinterhalt – abgeschossene Pfeil flog und flog, mal sehen ob er sein Ziel traf. Severin wurde plötzlich stocksteif, sein Gezappel war abrupt beendet. Volltreffer!
»Ich ... ich habe geschworen ...«, er hob erregt den Zeigefinger und schimpfte, »... alles für mich zu behalten ... bis ins Grab!« Wütend sah er Pierre an. »Haben Sie die Beweise auch sicher verwahrt?«
Völlig überrascht vom Gefühlsausbruch des wirren Bruders sah Pierre zu Marie hinüber, die ihn immer noch mit strafendem Blick tadelte. ›Wie konntest du ihn nur so schamlos anlügen?‹ sollte das wohl heißen. Aber ... irgendwie hatte er doch gar nicht die
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