Seelenbrand (German Edition)
mal!« rief er. »Die Statue hat genau ... hier gestanden! Ihr Fuß paßt exakt auf diese Erhöhung! Sitzt wie angegossen!« Während er den steinernen Koloß schnaufend auf das dazugehörige Podest hob, kam sie nur widerwillig näher. Er machte einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. »Genau wie ich es mir gedacht habe!«
Erst als er sie heranwinkte, kam sie mit mißmutigem Gesichtsausdruck bis an das fratzenhafte Ding heran, das aufrecht und schon fast stolz und erhaben dort auf seinem Thron stand. Es strahlte seltsamerweise, abgesehen von seinem widerlichen Antlitz und den beängstigenden Hörnern ... ja ... sogar eine Art von ... Würde aus.
»Er hat einen Mantel an!« Pierre kniete sich nieder und wischte fasziniert über die Oberfläche der Figur. »Es ist schon fast eine Robe ... hm ... oder das Gewand eines Königs. Und seine wilden Klauen hat er ganz friedlich vor seinem Bauch gefaltet. Hier, guck mal, seine langen Krallen!«
»Will ich nicht sehen!« zischte sie und wandte sich mürrisch ab.
»Hm? ... So aufrecht, wie er dasteht ... den Blick geradeaus ... und eingehüllt in einen solchen Herrschermantel ... ich glaube, der Schöpfer dieser Figur hat bereits die Seiten gewechselt, als er dieses Bildnis schuf.« Er bückte sich noch weiter hinunter. »Und ... guck mal ... hier unten steht doch noch was! R e x m u n d i ! Der König der Welt!«
Ist das des Rätsels Lösung? Ist es das, was meine Pfarrei vor mir verbergen wollte?
Von dort wo er saß, direkt neben seinem ... neuen ... gehörnten Gott ... konnte er das gesamte Rund der Halle überschauen. Jede Figur, die in ihrer Nische stand, blickte ihren Meister an, der genau in der Mitte des Pentagramms thronte. Hier vereinigten sich alle ihre Blicke. Genau an diesem Punkt. Er – der Gehörnte – war das Zentrum der gesamten Anlage ... das Maß aller Dinge ... der Wolf als der geheime Hirte der Herde!
»Da ist er!« Marie schrie auf und riß ihren Finger hoch.
Pierre brauchte einen Augenblick, um in diese Welt zurückzukehren.
»Schnell! Er ist in den Gang da hinten hereingelaufen!«
Während er sich vom Boden hochraffte, hatte sie schon eine Laterne gegriffen und war, ohne nachzudenken – typisch Marie – in diesem schwarzen Loch verschwunden.
»He! Warte!«
Aber sie war schon weg. Wütend riß er eine der keulenartigen Fackeln aus der eisernen Halterung und stürzte hinterher ins Dunkel. »Sie lernt es nicht! Sie lernt es einfach nicht!« schimpfte er laut hinter ihr her. »Sei vorsichtig!«
Ein kurzer Tunnel, und er stand in einer anderen, kleinen Kammer.
»Er ist weg!« Aufgeregt untersuchte sie schon jede Ecke. Ihre Laterne wackelte hin und her und beleuchtete die Szenerie. »Er war bis gerade doch genau vor mir!«
»Wer? Luzifer?«
Sie drehte ihren Kopf und sah ihn grimmig an. »Sehr witzig! Ist das alles nicht schon schlimm genug? Muß man darüber auch noch Scherze machen?« Ihre Augen glühten. »Natürlich war es nicht der Teufel! Er hat nur kurz aus dem Gang geschielt und den Kopf sofort wieder ins Dunkel zurückgezogen. Es war ein Mann!« Sie giftete ihn an. »Und er hatte keine Hörner ... wenn du es genau wissen willst!«
Tja ... sie kann es einfach nicht glauben. Es macht ihr Angst. Er hingegen hatte sich mittlerweile schon an den Gedanken gewöhnt. Würde sich denn sein Leben verändern? Wäre es denn nicht egal, ob sie – wie bisher – auf der Erde lebten oder – nach neuestem Stand der Dinge – in der Hölle? Nichts würde sich ändern, bis auf eins: Endlich kannte er die einzige Antwort auf die drängendste aller irdischen Fragen: Wie kann Gott es zulassen, daß so viel Böses geschieht?
Nachdem sich Marie wieder beruhigt hatte, erhellte sich ihr Blick schlagartig. »Hier ist es! Ja ... da hinten steht der offene Sarkophag. Hier war ich schon mal ... als ich verzweifelt einen Weg nach draußen gesucht habe!«
Ihre Ängste vor dem Herrn der Finsternis hatte sie wohl für einen Augenblick zurückgestellt, genauso wie die Suche nach demunbekannten Mann – sofern der überhaupt existierte. »Hier hab’ ich das Gold gefunden«, flüsterte sie und deutete auf den offenen Steinsarg.
Pierre vergewisserte sich mit ein paar Blicken, daß sie hier unten im Moment auch wirklich alleine waren. Dieser Monsignore Fabrizi, den er bislang für das Phantom gehalten hatte, war vor seinen Augen mit Pater Zacharias und Rodrigues im Automobil weggefahren, und Bruder Severin ... tja, der bürstete wahrscheinlich irgendwo
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