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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Tür herumgerutscht war. Immerhin war er der Repräsentant Gottes in diesem Nest, und der hatte nicht herumzukriechen.
    Also, diese Schinkenstückchen mit dem frischen Brot! Hmm! Dieser Duft!
    Daß der Keller verschlossen war, beruhigte ihn in keiner Weise. Er konnte nicht hinein, schön! Aber das bedeutete nicht, daß nicht etwas heraus kommen konnte! Während der Nacht hätte dieses Etwas das Schloß von der anderen Seite der Tür öffnen und unbemerkt aus dem Innern des Kellers ins Pfarrhaus eindringen können. War man eigentlich schon verrückt, wenn man so lange und schon fast zwanghaft über eine verschlossene Tür nachdenken mußte? Da er an diesem unheimlichen Ort völlig auf sich gestellt war, und er noch nicht genau wußte, wer hiernun der Jäger und wer der Gejagte war, beschloß er, seiner Intuition zu vertrauen.
    Was ist denn in diesem Kännchen? Milch? Aber irgendwie ... schmeckt die doch anders ... vielleicht Ziegenmilch oder Schafmilch? Egal! Brr, ich möchte wissen, wer diesen starken Kaffee zusammengebraut hat ... da kann ein guter Schuß Milch nicht schaden ... Ja, so ist es besser! Bin ja ohnehin schon nervös genug ...
    Da er sein Nachtlager nicht vor dieser Kellertür aufschlagen wollte – Ja! Da hätte der Irrsinn wirklich angefangen! – hatte er die schwere Truhe, die im Flur direkt neben dem Kellerabgang stand, kurzerhand vor die Tür gewuchtet. Für ihn war das kein Ausdruck von Hysterie, sondern von Vorsicht. Und, um nicht mit Marie oder Madame Pauline über diesen kleinen – aber wesentlichen – Unterschied diskutieren zu müssen, hatte er das schwere Ding bei Tagesanbruch wieder an seinen alten Standplatz zurückgezogen.
    Schläfrig griff er nach seiner Tasse mit dem dampfenden Gebräu, als sein Blick auf eine Maus fiel, die direkt neben seinem Stuhl entlangspazierte.
    »Übertreib es nicht, mein Freund!« murmelte er ihr zu. »Irgendwann platzt auch einem so gutmütigen Menschen wie mir der Kragen!«
    Seufzend lehnte er sich auf dem Küchenstuhl zurück. Wenn ich mir vorstelle, was ich mir auf meiner letzten Pfarrstelle alles habe gefallen lassen müssen, dann wird mir jetzt noch schlecht. Versunken schnippte er mit dem Daumen dieser unverschämten Maus einen dicken Brotkrümel hinterher. Ja, du kannst tun und lassen was du willst! Du bist zwar klein ... aber dafür dein eigener Herr. Er wußte zwar nicht, ob dieser Nager sein Gejammer überhaupt hören wollte, da dieser aber gerade den geschenkten Brotkrümel angenommen hatte und sich daran zu schaffen machte, mußte er es wohl.
    »›Mein lieber Junge‹, genau so scheinheilig hat mein Onkel damals angefangen«, er seufzte, stützte seinen Kopf auf und betrachtete die Maus bei ihrer Malzeit, »... daß er der Bischof von Limoges ist, müßte sich mittlerweile auch schon bis zu dir herumgesprochen haben!«
    Aus einer dunklen Ecke erschien vorsichtig ein zweiter grauer Nager auf der Bildfläche.
    »Schon damals hat er mich hereingelegt. ›Es macht dir doch sicher nichts aus, für ein paar Tage zwei Nachbargemeinden zu übernehmen?‹ hat er gesagt. ›Ich suche im Augenblick händeringend nach einem Pfarrer. Es ist nur vorübergehend, und dein Bischof hat nichts dagegen, wenn ich dich für ein paar Tage ausborge!‹ ... Hört ihr mir überhaupt zu?«
    Die grauen Nager hatten damit begonnen sich um die eine Brotkruste zu balgen und huschten aufgeregt hin und her. Pierre hörte auf zu kauen und schnippte ihnen einen zweiten Brotkrümel hinüber.
    »15 Monate!«
    Die Mäuse waren blitzartig verschwunden, als der kleine Brocken des frischen Landbrotes aus dem Himmel fiel und neben ihnen aufschlug.
    »15 Monate hat er mich da oben hängen lassen. Zwei Pfarreien gleichzeitig ... irgendwo ... auf fast tausend Metern.«
    Der erste graue Nager war schon wieder da und beschnüffelte vorsichtig die milde Gabe.
    »Einmal, im Sommer«, Pierre beugte sich vor und suchte nach dem zweiten Tier, »hat mich die liebe Familie da oben besucht. ›Du machst das schon, mein Junge! Du wirst doch deinen lieben Onkel und deine Mutter nicht enttäuschen?‹ hat er gesagt.«
    Da huschte etwas Graues an der Wand entlang! Aha, die zweite Maus ... nein, da ist ja noch eine. Das macht dann schon drei! Die Zahl meiner Zuhörer steigt ...
    Er saß immer noch regungslos auf seinem Stuhl, als sich seine zwei neuen Gäste zu ihrem Nagerkollegen gesellten und den Brotkrümel beäugten. »Könnt ihr mir mal verraten«, seine Stimme wurde lauter, »warum ich mich nicht

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