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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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schäbige Sandale und wollte sich dann wohl möglichst schnell aus dem Staub machen. Wie vom Blitz gerührt erstarrte diese hektische Vogelscheuche, schon fast in Reichweite des rettenden Gartentors, als sie durch einen eher zufälligen Seitenblick zum Pfarrhaus bemerkte, daß sie jemand beobachtete.
    »Ich ... sie ...«, stotterte sie, während sie sich mit den Händen nervös durch ihre zerzausten und in alle Himmelsrichtungen abstehenden Haare fuhr. »Sie ... ich meine die Ziegen, mögen diese bunten Blumen besonders gern«, brachte sie schließlich mitgesenktem Kopf heraus. Wie ein Kind, das man bei einem Streich erwischt hatte, und das nun nach einer guten Ausrede suchte, stand diese fahrige Gestalt schlotternd vor ihm. Mit scheuem Blick beobachtete sie Pierre dabei, wie der sich langsam von der Stufe erhob und sich mit seinen breiten Schultern vor ihm aufbaute. Das ertappte Sünderlein wurde immer kleiner.
    »Diese Nummer mit dem fliegenden Latschen werde ich mir merken, für den Fall, daß Sie mal nicht in der Nähe sind, wenn mich Ihre Vierbeiner wieder besuchen.« Pierre lachte und streckte der zappeligen Gestalt freundlich seine Hand entgegen. »Ich bin hier seit gestern der neue Pfarrer.«
    Überrascht von so viel Nachsichtigkeit, huschte ein scheues Lächeln über das blasse und hagere Gesicht seines Besuchers. »Ich bin Bruder Severin, Herr Pfarrer«, hauchte er leise. Für mehr reichte – vor lauter Aufregung – wohl die Luft nicht aus.
    Da Pierre unschwer erkennen konnte, in welcher verzweifelten Lage sich sein Gegenüber – nur wegen dieser verfressenen Ziegen – befand, klopfte er ihm beruhigend auf die Schulter. »Ich finde es ausgesprochen freundlich von Ihnen, Bruder Severin, daß Sie extra vorbeigekommen sind, um mich, den neuen Pfarrer der Gemeinde, als einer der ersten Willkommen zu heißen.«
    Verlegen blinzelte Severin mit seinen Augen und sah Pierre zum erstenmal vorsichtig ins Gesicht. Allmählich schien er begriffen zu haben, daß ihm für die Untaten seiner meckernden Freunde keine Bestrafung drohte. Er mußte eine sehr furchtsame Natur haben. Ständig war er in Bewegung, zappelte mit seinen Armen oder Beinen oder fuhr sich mit den Fingern durch seinen wild abstehenden Haarbusch auf dem Kopf. Gleichzeitig blickte er fortwährend zu allen Seiten, wie gehetztes Wild, das in panischer Angst vor seinen Verfolgern flüchten mußte.
    »Entschuldigen ... Sie bitte, Herr Pfarrer!« Er deutete zappelig auf das Blumenbeet und suchte unsicher Pierres Blick, der nur wohlwollend mit den Achseln zuckte.
    »Wir sollten uns beide deswegen nicht den Tag verderben lassen. Oder was meinen Sie, Bruder Severin?«
    »Ich danke Ihnen«, antwortete der unterwürfig und machte eine leichte Verbeugung. »Wenn ich Ihnen einmal helfen kann, Herr Pfarrer«, setzte er schon etwas mutiger hinzu, »dann lassen Sie es mich wissen.«
    Noch bevor Pierre sich einen Reim darauf machen konnte, was dieser vielsagende Blick zu bedeuten hatte, und welche Probleme sein nervöser Gegenüber in der Zukunft zu sehen schien, fügte der zerfledderte Besucher flüsternd hinzu: »Glauben Sie niemandem hier, denn es ist alles nicht so, wie es aussieht! Die Suche nach der Wahrheit kann alles zerstören!« Mit zitternder Hand deutete er zum Portal der Kirche hinüber.
    »Terribilis est locus iste. Dieser Ort ist schrecklich!« murmelte er ehrfürchtig, während er sich mit gesenktem Kopf zweimal bekreuzigte. »Auf Wiedersehen, Herr Pfarrer. Ich glaube, ich habe Sie schon lange genug aufgehalten.«
    Noch ehe Pierre etwas sagen konnte, hatte Bruder Severin wieder eine kleine Verbeugung gemacht und war hektisch durch das Tor des Pfarrhofes gehatzt, um seinen Ziegen nachzujagen, die bereits lange in Richtung Dorfstraße verschwunden waren und bestimmt schon wieder etwas anderes Schmackhaftes ausgemacht hatten. Er sah ihm noch einen Augenblick nach und überlegte, was ihm dieser nervöse Bruder da gerade so geheimnisvoll orakelt hatte.
    Als er sich umdrehte, um ins Pfarrhaus zurückzugehen und sein Frühstück zu beenden, sprach ihn unerwartet eine kräftige Männerstimme von hinten an.
    »Morgen! Da bin ich!«
    Pierre sah sich um und ergriff automatisch die Hand, die sich ihm entgegenstreckte.
    »Ich bin Claude Olivier! Madame Pauline schickt mich. Ich soll unbedingt Ihre Tür reparieren«, polterte dieser unrasierte Mann, während er Pierres Hand wie in einem Schraubstock zusammenquetschte. »Sie wüßten Bescheid!«
    »Ach ja, ich

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