Seelenbrand (German Edition)
leerte das Glas in einem Zug und rummelte dann energisch in der Ecke hinter dem Sofa herum, wobei sie sich immer wieder an dessen Lehne abstützen mußte, um nicht umzufallen.
»Darf ich bitten?« Verzückt, aber wackelig verbeugte sie sich vor der unordentlichen Ecke und zog dann ein Bild hervor. »Siehst du ... hicks!« sie blickte gläsern zu ihm herüber, »... jetzt hab’ ich doch noch jemanden gefunden!« Sie hielt sein Porträt mit beiden Händen und begann sich wieder zu drehen.
»Halt!« Sie stoppte abrupt ab und legte ihm sein Konterfei im Vorüberwanken auf den Tisch. »Da fehlt noch was ... hicks! Hihi! Ich bin gleich zurück!«
Während die Geiger immer noch unermüdlich ihre Walzerklänge aus dem Trichter ertönen ließen, verschwand sie taumelnd auf der Treppe ins obere Stockwerk.
Dieser entschlossene Blick, das markante Kinn ... ihm hatte das Porträt ja schon von Anfang an gefallen. Was hat sie vor? Sie ist nun schon eine ganze Weile verschollen ...
»Trara! Hier ... hicks ... bin ich wieder!« Er sah sich um, und da stand sie am oberen Treppenabsatz ... in ihrem roten Ballkleid.
Er schluckte. Donnerwetter!
Würdevoll – soweit das mit ihrem Schwips noch möglich war – schritt sie langsam die Treppe herunter. Je näher sie kam, desto heißer wurde ihm. Gütiger Himmel! Gerade in diesem atemberaubenden Augenblick hauchte dieses verdammte Grammophon sein mechanisches Leben aus.
»Was ist mit der Musik?« fragte sie würdevoll und deutete zu dem Trichterding hinüber. »Herr Kapellmeister?« Sie sah ihn an, doch im ersten Augenblick verstand er gar nicht, was sie wollte ... ach so!
Eiligst hastete er zu dem Gerät hinüber und drehte so schnell an der Kurbel, wie sie wahrscheinlich noch niemand gedreht hatte. Und schon wieder dieser Walzer ... das war doch jetzt mindestens schon die dritte Wiederholung ... aber ihr schien es immer noch zu gefallen ...
»Würdest du mir ... hicks«, er drehte sich um, als sie plötzlich hinter ihm stand, und er auf ihren nackten Rücken blickte. Donnerwetter! Jetzt habe ich schon mindestens vierzig Grad Fieber! Diese Hitze! Dieser Rücken ...
»Die Haken!« Sie machte eine Verrenkung mit dem Arm und deutete auf das offene Rückenteil des Kleides. »Allein kriege ich ... hicks ... die nicht zu!«
Gütiger Himmel! Während sich die Geiger mit ihrem Dreivierteltakt allmählich um ihren Verstand geigten, schloß er mit zitternden Händen einen Haken nach dem anderen. Die Hitze in ihm war einfach unglaublich. Wahrscheinlich ein unerklärlicher Anfall von ... ja ... Tropenfieber ... oder ... der Erdbeerwein ist verdorben ... ja, das wird wohl der Grund für diesen mörderischen Schweißausbruch sein.
Nachdem er den letzten Verschluß mit Mühe geschlossen hatte, begann sie wieder nach den Klängen aus dem Trichter zu tanzen und schwebte zu seinem Porträt hinüber. Die rote Spitze an ihrem Ballkleid zitterte bei jedem Lufthauch, so als ob sie lebte. Sie griff sein Bild mit beiden Händen und hielt es sich, wie einenimaginären Tanzpartner, vor ihre Brust. »Hicks ... Kaiserwalzer ... hicks!« jauchzte sie beschwingt und taumelte durch den Raum.
Ihr großer, schwarzer Hund war sabbernd aus der Küche herangetrottet und stand unschlüssig in der Tür, während er sich mit der Zunge die Reste seiner Mahlzeit von der Schnauze leckte. Da er offensichtlich die ausgelassene Unruhe seiner Herrin verabscheute, drehte er sich kurzerhand um und verließ den Raum wieder in Richtung Freßnapf.
Pierre fielen vor Müdigkeit fast die Augen zu. Obwohl sie wie ein Engel aus einem Traum vor ihm auf und ab schwebte, und er eigentlich den Blick nicht von ihr lassen konnte, merkte er doch, wie ihn allmählich der Schlaf zu übermannen versuchte. Sie sieht phantastisch aus ... Er mußte gähnen. Draußen war es bereits dunkel geworden und dieses Erdbeergebräu auf leeren Magen war wohl doch keine so gute Idee gewesen ...
»Vorsicht!« Er schreckte hoch, als sie nach einer ausgelassenen Rechtsdrehung gegen das Grammophon torkelte und sich an dessen Trichter festhalten mußte, um nicht umzufallen.
»Hihi!« Sie war völlig beschwipst und versuchte, während sie sich an die Blechtüte klammerte, die kleine Kurbel erneut zu drehen. »Guck mal ...«, gluckste sie und hickste, »... wieso hat das Grammophon denn plötzlich zwei Augen? Hihi! Hicks!«
»Ich glaube ...«, er stand mittlerweile hinter ihr und half ihr, das Gerät erneut erklingen zu lassen, »... wir sollten für heute
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