Seelenbrand (German Edition)
natürlich!« Belustigt krempelte er sich seine Ärmel hoch. »Ich werde mich erst mal von dem Dreck befreien! Ich hab’ immerhin in den staubigen Überresten unserer Vorfahren herumgewühlt!«
»Die Pumpe steht draußen im Garten hinter dem Haus!«
Er war schon auf dem Flur, als ihm das dumme »Ich weiß!« entrutschte. Beim Durchqueren des Ateliers stolperte er fast über Maries alten Hund, der verschlafen mitten im Weg lag und erst den Kopf hob, als er über ihn hinweggestiegen war. »Na, Franziskus! Wie lebt’s sich so mit neuem Namen?« Das Tier sah ihn kurz an, gähnte und legte seinen Kopf wieder auf den Boden. »Tja ... auch wieder wahr!«
Das abgedeckte Porträt stand immer noch auf der Staffelei. Er sah sich um und hob dann mit zwei spitzen Fingern das Leinentuch hoch, um sich noch mal zu vergewissern ... Ich bin ja mal gespannt, welche Ausrede sie dafür parat hat.
Als er zurückkam, hatte sie bereits den farbverschmierten Tisch im Atelier freigeräumt und die beiden Stühle, auf denen Bilder und andere Malutensilien gestanden hatten, herangezogen. Aber – er sah sich um – die Staffelei mit seinem Porträt war weg!
»Katastrophe!« rief sie, als sie ihn wieder hereinkommen sah. »Ich habe absolut nichts Ordentliches zu Essen im Haus!« Verlegen schob sie einen Tontopf und ein wenig Brot über den Tisch. »Gurken, Weißbrot und ...«, sie eilte in die Küche und kam mit einer großen, ballonartigen Glasflasche zurück, »... und Erdbeerwein!« Verzweifelt blickte sie ihn an. »Soll ich nebenan in der Schenke fragen, ob ...«
»Nein, nein!« Pierre winkte ab. »Gurken und Erdbeerwein, das reicht völlig!«
»Den Wein mache ich selbst, und die Gurken sind aus dem Garten!«
Sie verschwand wieder in der Küche und klapperte mit einigen Töpfen. Der sabbernde Hund, der bis jetzt teilnahmslos und gelangweilt im Weg gelegen hatte, stand mit einem Satz kerzengerade im Raum. So schnell hatte er sich in Pierres Gegenwart noch nie bewegt. »Na«, rief Marie schon aus der Küche, »ist er jetzt wach?« Sie kam kurz ins Atelier und öffnete den Topf. »Sonst hätte ich hier nur noch Pansen!«
»Bääh!« Pierre wandte sich entsetzt ab. »Da kann ich auch noch die Fischköpfe aus dem Pfarrhaus dazuholen!«
»Bäh! Dann hätten wir wirklich eine nette Mahlzeit beisammen!« Angeekelt verzog sie das Gesicht. »Also .. dann bleibt es wohl bei den Gurken ...«
Während sie sich in der Küche zu schaffen machte, betrachtete er die vielen Bilder, die überall herumstanden. Ach, was ist denn das? Da hinter dem großen Landschaftsgemälde? Er trat näher heran. Ein Grammophon? Der riesige, messingfarbene Trichter mit seiner großen Öffnung sah aus wie eine überdimensionale, kelchförmige Blüte. Es lag sogar noch eine Platte auf dem Teller. Wiener Walzerklänge.
»Magst du Musik?« Sie stellte das Brot auf den Tisch, kam zu ihm herüber und räumte die Gemälde, mit denen sie das prachtvolle Objekt zugestellt hatte, beiseite.
»Bislang hatte ich hauptsächlich das Vergnügen mit Johann Sebastian Bach.« Er äugte in den großen Trichter des Gerätes.»Aber leider finde ich geistliche Musik ausgesprochen deprimierend. Und die Kirchen, in denen ich in den letzten Jahren Dienst tun mußte, hatten überhaupt keine Orgel. In der Regel haben wir uns dann mit einem Harmonium beholfen. Aber die Musik wurde dadurch auch nicht erheiternder!«
Sie drehte an einer kleinen Kurbel, die an der Seite des Grammophons angebracht war, und der Plattenteller setzte sich in Bewegung. Als sie die Nadel auf die schwarze Scheibe sinken ließ, knackte und knirschte es einige Zeit lang, ehe der große Trichter die ersten beschwingten Klänge ausspuckte.
»Wiener Blut!« Ihre Hände wiegten sich im Takt der Geigen. »Mein Lieblingsstück!« Summend und gutgelaunt tänzelte sie zum Tisch hinüber und goß ihnen reichlich vom Erdbeerwein ein. »Möchtest du die Gurke gleich dazu?« Sie fischte mit den Fingern in dem tönernen Behältnis herum und fing für jeden so ein eingelegtes Gurkending heraus.
»Vielleicht später!«
»Na gut!« Sie biß genußvoll ein großes Stück ab und spülte mit dem Erdbeerwein nach. »Wenn ich alleine bin ...«, sie hatte wohl seinen entsetzten Blick gespürt, »... habe ich keine Lust, für mich etwas zu kochen. Da behelfe ich mir immer mit ein paar Happen.« Sie reichte ihm sein Glas und sah sich um. »Da hinten unter den vielen Leinwänden steht ein Sofa ... wenn du willst ... ich meine, wenn es nicht
Weitere Kostenlose Bücher