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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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eingestellt und sich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, nahm er weltmännisch mit zwei spitzen Fingern seinen angekauten Tabakstummel aus dem Mund. »Jawohl, Herr Pfarrer! Ich bin der letzte Handwerker, der noch in Rennes wohnt. Alle anderen sind tot oder weggezogen.«
    »Was haben Sie damals eigentlich gefunden?« fragte Pierre schnell dazwischen, um diesen Menschen gar nicht erst in einen Redeschwall verfallen zu lassen.
    Olivier hatte sich unter dem obligatorischen Stöhnen und Fluchen von seinen Knien erhoben und betrachtete geistesabwesend – jedenfalls tat er so – den klebrigen, braunen Zigarrenstummel, den er zwischen seinen schmuddeligen Fingern hielt. Er trat ohne Vorwarnung an Pierre heran, und sein übler Atem war wieder mit von der Partie. Aber, wenn er etwas aus erster Hand erfahren wollte, dann mußte er diesen Kerl wohl einen Augenblick ertragen!
    » Ich war es, der das Gold gefunden hat«, prahlte er ohne lange Umschweife. »Es lag in einem Kasten unter dem Fußboden.«
    »Wissen Sie, was da drin war?«
    »Natürlich! Goldmünzen! Ich hab’ sie mit meinen eigenen Augen gesehen.« So, wie sich dieser Olivier gebärdete, glaubte er wohl, daß er irgendeine Ruhmestat begangen hatte und jetzt als Held behandelt werden müßte.
    »Und was ist dann passiert?« Pierre ging auf dieses protzende Gebaren erst gar nicht ein.
    »Abbé Saunière, also Ihr Vorgänger«, der schwitzende und prustende Besucher dämpfte plötzlich seine Lautstärke, »hat gesagt, daß das Zeug der Kirche gehörte. Er hat es einfach behalten.« Sichtlich enttäuscht zuckte er mit den Schultern. »Nicht eine Münze hat er uns abgegeben. Es gehöre den Toten, hat er gesagt.« Mit den dicken Fingern einer seiner großen Pranken zupfte er ungelenk einige Holzfusseln aus seinem Hobel. »Nicht mal eine Münze.« Er kratzte sich fortwährend am Kopf. »Aber das hat er jetzt davon! Da ist er selbst Schuld!«
    Pierre trat näher an seinen unangenehmen Gast heran, ohne einen weiteren Gedanken an die diversen üblen Gerüche zu verschwenden, die gerade dem karierten Hemd entströmten.
    »Was haben Sie da gesagt?«
    »Daß er alles Geld für sich behalten hat«, wiederholte Olivier, erstaunt daß den Pfarrer seine Wirtshausgeschichte so brennend interessierte.
    »Nein, das andere«, bohrte Pierre genervt nach.
    Der bullige Mann sah ihn auf einmal kleinlaut von der Seite an. »Verdammt! Hätte ich doch nur meine Klappe gehalten!« Ruppig schob er mit seinen derben Schuhen die Hobelspäne auf dem Boden zusammen. »Wenn ich’s Ihnen erzähle, glauben Sie mir ja sowieso nicht.«
    »Na los! Rücken Sie endlich raus mit der Sprache!« setzte Pierre unerbittlich nach. Vielleicht gäbe es eine Erklärung für diesen fauligen Gestank und für ... für dieses fürchterliche, kriechende Moos.
    »Na ja ...«, unwillig wie ein verstocktes Kind versuchte der Ungehobelte Zeit zu schinden, »... diese fürchterlichen Knochen, sie lagen überall unter der Kirche. Jeder Hohlraum war voll mit denen! Ekelig!« Angewidert warf er Pierre einen kurzen Blick zu, der immer noch gebannt lauschte. »Ich bin Handwerker und kein Totengräber.«
    Dieser Olivier war zwar ein unsensibler Angeber mit einer derben und wahrlich stinkenden Schale, aber kein Lügner. So viel Menschenkenntnis hatte sich Pierre über die Jahre doch angeeignet.
    »In mehreren Schichten lagen sie übereinander«, flüsterte Olivier. »Als wir eine Station des alten Kreuzwegs aus der Wand gestemmt haben, um sie auszuwechseln, fielen sie uns schon entgegen.«
    »Und was hat der Pfarrer dazu gesagt?«
    Olivier zuckte mit den Schultern. »Von heute auf morgen hat er alle Arbeiten abgesagt, uns bezahlt und im hohen Bogen rausgeschmissen. Als ob wir was dafür konnten, daß die dahinter lagen!«
    Offensichtlich hatte dieser qualmende Holzkopf überhaupt nicht begriffen, worum es wirklich ging. Wahrscheinlich waren sie nur auf eine Kultstätte gestoßen. Auf einen Friedhof unterhalb der Kirche, der vielleicht noch aus der Zeit der Westgoten stammte. Er mußte unwillkürlich schmunzeln. Das sind doch die Leute, die den Römern den Schatz aus Jerusalem abgejagt und sich hier im Languedoc niedergelassen hatten, wie Marie es so unkompliziert in einem Satz zusammengefaßt hatte. Aber, was auch immer mit diesem kleinen Nest los sein mochte – und da hatte sein Bischof recht behalten – es hatte seinen Ausgangspunkt in der Kirche.
    »Haben Sie die Dokumente gesehen, die unter der Altarplatte lagen?«

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