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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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von uns denken?«
    »Sehen Sie, was ich meine, mein junger Freund?« Der Dicke haute unwirsch mit der Hand auf den Tisch. »Manchmal frage ich mich, wer hier eigentlich die Amtsperson ist? Sie oder ich?« Er sprach so laut, daß seine bessere Hälfte garantiert alles mitbekam. Er richtete seine Augen gen Himmel und holte tief Luft.
    »Liebling?« rief er schließlich mit der zartesten Stimme, die einem solchen Riesenwalroß wie ihm zu entströmen vermochte. »Könntest du unserem Gast bitte die neue Uniform holen, die aus der Truhe?«
    Ohne weitere Widerworte, allerdings auch ohne Antwort, verschwand die Frau mit einer mürrischen Handbewegung wieder im Haus.
    »Nach dem Essen wollen wir mal sehen, was wir für Sie tun können«, er deutete mit seinem kahlen Kopf zum Gefängnis hinüber. »Ich werde Ihnen bei diesem ungezogenen Bürschlein ein bißchen helfen und ihm höchstpersönlich die Beichte abnehmen.« Da seine Frau verschwunden war, polterte er wieder so laut und hemmungslos wie zuvor. »Auf Sie ist Ihr Pfarrkind ja offensichtlich nicht sonderlich gut zu sprechen.«
    Die Gendarmenuniform, mit der die Frau des Dicken mittlerweile aus dem Haus gekommen war, sah ganz brauchbar aus.
    »Das Ding stammt noch aus einer Zeit, als ich noch nicht so ... na Sie wissen schon.« Er lehnte sich zurück und tätschelte liebevoll seinen Bauch. »Aber seit meiner Heirat mit Agnès ... sie kocht einfach zu gut.« Seufzend deutete er auf den Braten, den seine Frau aus dem Haus geholt hatte, und der nun dampfend vor ihnen auf dem Tisch stand.
    Noch ehe sich Pierre versah, lag bereits ein dickes Stück Fleisch auf seinem Teller. Sein Gegenüber hatte seinen Mund bereits bis zum Anschlag vollgepackt. »Hasenbraten!« konnte der Dicke nur noch undeutlich herauspressen. »Greifen Sie zu! Aber passen Sie auf ...«, plötzlich hielt der inne, hörte auf zu kauen und verharrte einen Moment andächtig.
    Mit einem hellen Pling fiel schließlich eine Schotkugel, die plötzlich unter seinem Schnurrbart aufgetaucht war, auf den Teller. »Sehen Sie, was ich meine? Das Tier hatte gewissermaßen eine Bleivergiftung, bevor es mir in den Topf gesprungen ist!« Er prustete mit vollem Mund und klopfte sich amüsiert auf die Schenkel.
    »Habe ich Ihre Frau vertrieben? Vielleicht möchte sie mit uns essen?« fragte Pierre mit schlechtem Gewissen und nahm sich vom Gemüse und vom Wein.
    »Nein, nein«, murmelte sein Gegenüber wieder mit vollen Backen, »da machen Sie sich mal keine Sorgen. Sie wollte unbedingt zu diesem Pfarrfest.« Er deutete hinter sich. »Sie haben ja sicherlich schon diese bunten Bänder gesehen.«
    Pierre nickte.
    »Ich weiß nicht, was sie an ihm finden«, wieder fiel eine Kugel klimpernd auf den Teller, »aber sie lieben diesen Pfarrer. Einschließlich meiner Frau.« Er schüttelte den Kopf und nahm einen guten Zug Rotwein. »Jeden Morgen Messe, Andachten und dieses ganze Zeug ...« Mitten in seiner abfälligen Handbewegung hielt er inne und wischte sich hastig den Mund ab. »Ach du lieber Himmel, ich hab’ ja ganz vergessen, daß Sie auch einer von diesen Schwarzkitteln sind.« Er lehnte sich zurück und fischte sich mit dem Finger irgend etwas aus den Zähnen. »Aber wenn ich Sie hier so vor mir sehe, dann sind Sie doch eher einer von uns ... Normalen! Ich meine, einer der zupacken kann!« Bei dem Versuch sich herauszureden wurde sein Walroßkopf immer roter. »Ich hoffe, daß ich Sie nicht beleidigt habe. Meine Frau würdemir das nie verzeihen!« Furchtsam sah er zum Haus hinüber und zog dabei – wahrscheinlich ohne es selbst zu merken – seinen Eierkopf wieder zwischen die Schultern.
    »Ach«, Pierre winkte ab und spießte sich ein schönes Bratenstück auf seine Gabel. Aber dieser Pfarrer – der hier das Pfarrfest veranstaltete – war ihm jetzt schon unsympathisch, und dabei hatte er noch nicht einmal mit ihm gesprochen. ... Jeden Morgen Andacht und Messe ... Seine Zunge hatte eine dieser Schrotkugeln lokalisiert und bugsierte sie nun vorsichtig zum Ausgang. Neidisch? Ja natürlich war er neidisch auf diesen ach so beliebten Kerl! Wenn er da an seine Gemeinde dachte und an die Messe von heute morgen ... vier Seelen ... das war ein wahrhaft trauriges Bild, verglichen mit der Begeisterung der Menschen, die er vorhin so zahlreich an der Kirche gesehen hatte.
    Der Dicke spuckte gerade bestimmt schon seine zehnte Kugel aus. »Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal eine kleinere Ladung nehmen«, grinste er.
    »Hat Ihr

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