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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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lieber Herr Pfarrer auch schon den Irren da drin besucht?« fragte Pierre beiläufig und nahm sich noch vom Gemüse.
    »Oh, ja!« nickte der Gendarm eifrig. »Danach habe ich mich ja erst entschlossen, Ihr Pfarrkind anzuketten.«
    »Ach?«
    »Ja, der hat bei ihm genauso getobt, wie bei Ihnen. Aber weil ich die ganze Zeit daneben gestanden habe, ist nichts weiter passiert.« Er grinste zu Pierre herüber und leerte sein Glas in einem Zug. »Aah, aber Sie wollten ja nicht auf mich hören!«
    Irgendwie beruhigte es ihn ja doch – nein, es erfreute ihn sogar –, daß dieser ach so beliebte Pfarrerskollege mit diesem Wahnsinnigen auch nicht mehr Erfolg hatte als er.
    »Er mag einfach keine Priester ... soll ja vorkommen«, sinnierte sein Gegenüber und legte ihm dann das letzte Stück des Bratens auf den Teller. »Also bei ihm hat er genauso getobt, wie bei Ihnen! ›Lügner! Lügner! Ich bring’ dich um!‹ Und obendrein hat er den Pfarrer noch in den Bauch geboxt, bevor ich eingreifen konnte.« Der große Eierkopf versackte wieder zwischen seinen Schultern. »Sie glauben gar nicht, welchen Ärger ich danach mit meiner Frau hatte«, sagte er leise. »Mann, was war die böse auf mich!« Er sah vorsichtig zum Haus hinüber. »Sie sehen jaselbst«, mißmutig goß er sich noch mehr Wein ein, »jetzt ist sie schon wieder zu diesem Pfarrfest. Mir ist es völlig rätselhaft«, er stürzte den Wein in einem Zug hinunter und wischte sich dann mit dem Unterarm den Mund ab, »was die Weiberwelt überhaupt an diesem schmalbrüstigen Pfaffen findet?«
    Eigentlich hätte Pierre ja noch stundenlang den Meckereien des Gendarms über seinen Amtskollegen zuhören können – ja, natürlich ist das unchristlich, und wie! – aber bei aller heimlichen Freude darüber, daß der andere Abbé vielleicht doch nicht so beliebt war, wie es auf den ersten Blick aussah, so hatte er bei alldem nicht vergessen, warum er hergekommen war. »Hat dieser Würger da drin noch etwas gesagt, das uns weiterhelfen könnte?«
    Der Gendarm überlegte. »Der murmelt ständig vor sich hin, soviel weiß ich.« Er kratzte sich am Kopf. »Hm? Aber ob das einen Sinn ergibt ... Na, auf jeden Fall hat er es immer mit Gott, oder so!« Seine Stimme senkte sich. »Gott ist tot ... Er habe seinen eigenen Gott begraben, hat er gesagt!« Unbehaglich rutschte er auf dem Stuhl hin und her. »Also ... ich hab’ in den Jahren als Reviervorsteher ja schon eine Menge gesehen ...« Der Dicke tippte sich mit seinem Wurstfinger an die Schläfe. »Mehr ist aus ihm dazu einfach nicht rauszukriegen. Und mal abgesehen davon, daß er sein eigenes Haus angesteckt hat«, er zuckte ratlos mit den Schultern, »liegt bei mir nichts weiter gegen ihn vor. Aber er wäre wohl besser in einer Irrenanstalt aufgehoben als hier.«
    Schwitzend beugte er sich zu Pierre herüber. »Er will sogar den Leibhaftigen ...« Er machte ein paar undefinierbare Handbewegungen. »Na, Sie wissen schon ...«
    »Den Teufel?« half Pierre nach.
    »Ja!« Der Gendarm schien unangenehm berührt. »In seiner Speisekammer ... Und, um dieses unerfreuliche Kapitel zu beenden«, er schob seinen blitzblank abgegessenen Teller in die Tischmitte, »... den alten Pfarrer von Rennes will er auch noch gesehen haben. Dabei liegt der Kerl schon lange mausetot auf dem Friedhof hinter der Kirche.« Seine flache Hand klatschte auf den Holztisch, so daß die Schrotkugeln auf den Tellern mit Geklimper zu tanzen begannen.
    Also, dieser Teil der Geschichte schien sich immer wieder zu bestätigen. Da hatte ihn sein Bischof offenbar nicht belogen.
    »Kann ich ihn mir noch mal ansehen?« Pierre wandte den Kopf Richtung Gefängnis.
    »Natürlich!« Eifrig erhob sich der Gendarm vom Stuhl und begann sofort seine Zirkusuniform zuzuzwängen und die goldenen Knöpfe durch die Knopflöcher zu würgen. Er hielt inne, als er Pierres bohrende Blicke spürte. »Jaja, ich weiß, was Sie sich die ganze Zeit fragen ... also, um es kurz zu machen ... mein Großvater ist vor vielen, vielen Jahren in dieses Land gekommen ... er war Direktor eines kleinen Wanderzirkusses. Und weil es ihm hier so gut gefallen hat, da ist er einfach geblieben.« Mit roher Gewalt schloß er seine rote Pelle. »Und diese Jacke hier sollte eigentlich nur ein Provisorium sein.« Er hielt die Luft an, und unter Ächzen fummelte er auch noch den letzten widerspenstigen Knopf am Hals durchs Knopfloch. »Übrigens ... meine richtige Dienstuniform ... die haben Sie gerade an.« Er

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