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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Straße getroffen hatten. Ein kleiner Tick? Da ihr die weiße Leinenhose und ihre Bluse, die im übrigen wieder voll bunter Farbe war, klatschnaß und verdreckt am Körper klebte, fiel ihm auf einmal auf – er wußte selbst nicht genau warum – wie schlank sie war. Und dieses hübsche Ding hat dir gerade dein Leben gerettet.
    »Wie lange haben Sie denn da schon dringestanden?« fragte sie schließlich und wischte sich mit dem farbverschmierten Ärmel noch einige Spritzer von ihrer hübschen Nase.
    Was heißt hier hübsch? Sie sieht umwerfend aus!
    »Herr Pfarrer! Geht es Ihnen gut?«
    Er schreckte hoch. »Ja, ja, entschuldigen Sie.« Lächelnd sah er zu ihr auf, und die Ströme der Brühe liefen immer noch aus seinen Haaren. »Ich muß mich erst mal sammeln.« Lügner!
    Ein gurgelndes Geräusch aus der Grube unterbrach sie. Neugierig trat sie wieder an das gefährliche Loch heran. Ihre total ruinierten Sachen hatte sie wohl schon vergessen.
    »Passen Sie bloß auf!« Pierre saß immer noch kraftlos am Boden. »Wenn Sie da jetzt reinfallen, kriegen wir Sie garantiert nicht mehr raus!«
    Energisch drehte sie sich zu ihm um, ihre verdreckten Hände provokativ in die Seite gestemmt. »Sie halten mich wohl für ein bißchen blöde, oder?« lachte sie, und er suchte händeringend nach einer guten Antwort. »Ich frage Sie ja auch nicht, wie ein erwachsener Mann so unachtsam sein konnte, bei Tageslicht in eine solch unübersehbare Grube zu fallen?«
    Hemmungen hatte sie keine! Ganz im Gegenteil: sie schien ihre momentane Überlegenheit regelrecht zu genießen. »Die Sprache hat’s Ihnen offensichtlich nicht verschlagen!« antwortete Pierre mit breitem Grinsen. »Aber ich werde noch mal nachsichtigmit Ihnen sein«, er machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand, »denn Sie haben mich ja immerhin da herausgezogen.« Während er zu der Grube herüberblickte und sich mit der Hand über sein Kinn strich, wurde er wieder ernster. »Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Sie nur fünf Minuten später gekommen wären.«
    »Bedanken Sie sich bei Monsieur Billard, er hat Sie gefunden.« Der Hund lag müde zwischen ihnen und hob nur kurz den Kopf, als sein Name fiel.
    »Der hört ja wirklich auf den Namen unseres Bischofs.« Er tätschelte dem Tier den Kopf. »Ich habe schon gedacht, daß Sie mich damit nur ärgern wollten.«
    »Warum?«
    »Um mich möglichst bald wieder loszuwerden ... so wie den Aushilfspfarrer.«
    Erstaunt zog sie ihre feingezupften Augenbrauen hoch. Sie waren ihm noch nie aufgefallen. »Der Hund gehörte unserem alten Pfarrer, genau wie die Katze.«
    »Diese arrogante Einäugige?«
    »Ja, Dagobert. Tante Pauline hat ihn in Pflege genommen als Abbé Saunière plötzlich gestorben ist. Der Aushilfspfarrer mochte ihn nicht.«
    »Warum ist mein Vorgänger eigentlich so sang- und klanglos verschwunden?«
    Ratlos zuckte sie mit den Schultern. »Als ich ihm eines Morgens das Frühstück bringen wollte, war er weg. Wir haben ihn überhaupt nicht richtig kennengelernt.« Sie kniete vor dem Loch und reckte ihren Hals über die Grube. »Ich kann nichts erkennen. Es ist einfach zu dunkel da unten.«
    Über ihre Neugier hatte sie wohl völlig vergessen, daß sie beide aussahen wie die Schweine und schlimmer rochen als alles, was man sich vorstellen konnte. Eigentlich hatte er erwartet, daß sie kreischend nach Hause lief, um sich zu reinigen. Aber sie tat es nicht.
    »Was meinen Sie«, Marie sah zu ihm herüber, »was werden wir wohl da unten finden?«
    »Da unten finden?« wiederholte Pierre und traute seinen Ohren nicht. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich ...«, er stockte, »geschweige denn, daß wir da runterklettern werden! Ich binfroh, daß Sie mich da lebend herausgezogen haben, da werde ich doch nicht ...« Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn, ohne seinen Satz zu vollenden.
    Marie schien an seiner Meinung nicht sonderlich interessiert zu sein. So wie es aussah, hatte sie gar nicht zugehört, denn sie hing schon wieder über dem tiefen Loch. »Das ist ja richtig gespenstisch da unten.« Ihre Stimme hüpfte und sie war so aufgeregt wie ein Kind, das sich vorgenommen hatte, bis zur Geisterstunde aufzubleiben.
    Er würde doch nicht freiwillig da herunterklettern ... Die ganze Sache war wirklich zu gefährlich geworden. Die neugierige Schnüffelei in der Kirche oder im Bilderturm war ja die reinste Spielerei, verglichen mit dem, was er gerade erlebt hatte. Um ein Haar wäre er doch tatsächlich

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