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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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und die Totenschädel tanzten mit hellem Klacken um seinen Bauch.
    »Jetzt ist es aber genug, Monsieur Billard. Geh mal weg da und laß mich da hin!«
    Er blinzelte nach oben. Natürlich! Marie! Es ist kein Traum! Da ist sie!
    Noch bevor er etwas zu ihr sagen konnte, war sie auch schon wieder verschwunden.
    »Du bleibst hier! Ich bin gleich wieder da!«
    Der dicke Hund setzte sich brav an den Rand der Grube und sabberte von oben auf Pierres Kopf. Wo bleibt sie denn nur so lange? Stocksteif stand er immer noch in der Brühe, die vor sich hin blubberte, wie in einem großen Suppentopf eines Kannibalenstamms, der ihn unbedingt noch bis zum Mittagessen garkochen wollte.
    »Wuff! Wuff!« Der Hund erhob sich und wurde unruhig.
    »Marie! Marie! Wo bleiben Sie?« rief er laut.
    Sein Mut und seine Zuversicht kehrten allmählich wieder zurück. Leider aber nur bis zu dem Augenblick, an dem ihm dieser mächtige Grabstein wieder einfiel, der ihn die ganze Zeit von oben bedroht hatte, und den er bei der ganzen Aufregung völlig vergessen hatte.
    »Vorsicht! Hier ist eine Leiter!« Noch ehe er sich versah, blickte Marie über den Rand und wuchtete das Holzding über die Kante. Eine Sprosse nach der anderen verschwand in der schwarzen Brühe, bis sie endlich irgendwo auf dem Grund der Grube Halt fanden.
    »Los! Kommen Sie schnell!« Sie hüpfte vor lauter Aufregung hin und her.
    Er zog sich langsam durch die Knochensuppe an die Leiter heran und suchte mit seinen Füßen nach den Sprossen.
    »Schnell! Schnell!«
    Marie hielt den oberen Teil der Leiter fest, während Pierre endlich – Sprosse für Sprosse – das stinkende Grab verlassen konnte.
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen!«
    Ohne lange zu zögern grapschte sie ihn an seiner Soutaneund zog ihn mit aller Kraft von der obersten Leitersprosse auf den festen Boden hinüber.
    »Sehen Sie!« rief sie völlig außer sich und zeigte immer wieder auf den Stein. »Er fällt! Er fällt!«
    Pierre fühlte sich noch viel zu schlapp, um dem Schauspiel seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Ermattet drehte er schließlich doch seinen Kopf.
    »Da!« rief er plötzlich und zeigte mit dem Finger auf den Stein, der sich langsam vornüber zu neigen begann. »Sehen Sie das, Marie?« Mit einem ohrenbetäubenden Platsch fiel der Koloß schließlich mit seiner flachen Seite auf die Oberfläche der Knochenbrühe. »Da waren zwei verschlungene Davidsterne in der Inschrift!«
    Er hatte seinen Mund gerade wieder geschlossen, als eine Woge der schwarzen, stinkenden Flüssigkeit über sie schwappte. Einige Schädel wurden durch die Wucht des Aufschlags aufs Trockene geschleudert und kullerten nun vor ihren herum.
    Und noch ehe sie sich der widerlichen Schweinerei bewußt werden konnten, die sich gerade über sie ergossen hatte, begann es in der Grube zu brodeln. Die schwarze Masse mit den darin verbliebenen, klickenden und klackenden Schädeln kam in Bewegung. Sie begann langsam zu rotieren. Die Knochen drehten sich schneller und schneller. Ein Inferno kündigte sich an. Pierre zog Marie zurück, die sich neugierig weit vorgewagt hatte. Plötzlich öffnete sich ein Schlund in Form eines Sogs, der die ganze Mischung aus vergammelten menschlichen Überresten augenblicklich von der Oberfläche in die Tiefe zog. Ohne Vorwarnung verschluckte das Maul auch die Leiter, die immer noch vor ihnen in der Grube gestanden hatte. Sie konnten zusehen, wie die faulige Brühe verschwand. Nach wenigen Augenblicken war das Loch leer. Der Sog hatte alles mitgerissen. Die Knochen, die Schädel und die Leiter. Alles war weg!
    Sprachlos sahen sie sich an, überwältigt von diesem infernalischen Schauspiel.
    »Der Stein muß da unten wohl irgendwo ein Loch gerissen haben.« Pierre reckte sich neugierig über die Grube.
    Marie hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Statt dessen betrachtete sie angewidert ihre von der schwarzen Soße durchtränktenSachen und strich sich angeekelt durch ihre klatschnassen Haare. Vorsichtig roch sie dann noch an ihren Händen.
    Gleich geht bestimmt die weibische Heulerei los! Er war auf das Schlimmste vorbereitet. Aber auf das Unausweichliche konnte er auch im Sitzen warten. Er war einfach fix und fertig. Seine Beine zitterten. Er beobachtete sie wortlos dabei, wie sie immer wieder unschlüssig an sich heruntersah. Mit undefinierbarer Miene im Gesicht wischte sie sich ständig ihre Hände an der Hose ab – so als wären sie voller Farbe. Genau so, wie an dem Tag, als sie sich zum erstenmal auf der

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