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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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wenigstens, wie tief es ist«, flüsterte er Marie zu, die Schulter an Schulter mit ihm an dem Loch hockte. »Es können nicht mehr als sechs oder sieben Meter sein.«
    Beide starrten gebannt in die Tiefe.
    »Vorsicht! Gehen Sie ein bißchen zur Seite.«
    Er hatte sich einen dieser Balken gegriffen, die er im Schuppen des Totengräbers gefunden hatte, und legte ihn quer über das Grab, genau über die Stelle, an der der Lappen in die Tiefe gefallen war. Die Fackel am Grund war mittlerweile kaum noch zu erkennen. Die Flammen flackerten nur noch schwächlich in blauen Tönen vor sich hin.
    »Diese Balken kenn’ ich von den unzähligen Beerdigungen, die ich schon abgehalten habe und deshalb ...« Er ruckte die dicke Bohle an ihre Stelle.
    Marie verstand zwar kein Wort, aber momentan war sie sprachlos und sah gespannt zu, was passierte.
    »Bevor der Sarg in die Grube herabgelassen wird, ruht er während der Andacht auf diesen Holzbohlen.«
    Marie schüttelte sich. »Ich nehme an, Sie wissen worüber Sie reden.«
    »Ja!« Pierre senkte nachdenklich seinen Kopf. »Ich weiß nicht mal mehr, wie viele Leute ich schon unter die Erde gebracht habe. Keine schöne Arbeit. Aber irgend jemand muß sie ja machen.«
    Er seufzte einmal tief, rieb sich dann aber voller Tatendrang die Hände. »Auf jeden Fall ist das Ding stark genug, um mein Gewicht zu tragen.«
    »Wenn schon, dann doch wohl unser Gewicht!« zischte Marie leise. Sie wußte zwar nicht, was er vor hatte, aber auf keinen Fall wollte sie sich aufs Abstellgleis schieben lassen. Jetzt wo es spannend wurde.
    »Oh, nein! Das kommt ja überhaupt nicht in Frage. Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich Sie da runterklettern lasse! Wenn sich überhaupt jemand in dieses Grab herabläßt, dann bin ich es! Ich!«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten nahm er eine Laterne von der Grabplatte und knotete das Ende eines Seils an den Tragebügel, der aus einem gebogenen Draht bestand. »Nur gut, daß der Totengräber seine Arbeit so ernst genommen hat. Sein Schuppen war wirklich gut sortiert. Alles was das Herz begehrt!«
    Noch ehe er ausgesprochen hatte, saß er bereits auf dem Balken über dem Loch.
    »Marie, geben Sie mir mal das Seil mit der Lampe herüber.«
    »Fallen Sie da bloß nicht rein«, flüsterte sie besorgt, als sie ihm die Laterne reichte. Mit wildem Geruder seiner Arme versuchteer indessen sein Gleichgewicht zu halten. Die ganze Sache war zwar nicht ungefährlich ... aber sie machte immer mehr Spaß!
    »Hab’ ich Ihnen eigentlich schon gesagt, daß ich Ingenieur werden wollte?« Er drehte den Docht der Petroleumlampe bis zum Anschlag heraus und sofort erhellte ein gleißender Lichtschein ihre Gesichter und den ganzen Friedhof drumherum.
    »Schnell, runter damit!« zischte er. »Sonst haben wir gleich das halbe Dorf hier!« Langsam ließ er die Laterne mit dem Seil in die Tiefe herab. Gebannt folgte ihr Blick dem Licht, das die Seitenwände des Schlundes Meter für Meter ausleuchtete.
    »Können Sie von da oben etwas sehen?« Sie saß auf allen Vieren am Rand des Grabes und schob ihren Hals so weit hervor wie es möglich war, während Pierre das Seil mit der Lampe zwischen seinen Füßen weiter in die Tiefe gleiten ließ.
    Er schüttelte seinen Kopf.
    An den Wänden im oberen Bereich des Lochs gab es nichts Besonderes zu sehen, das ihm bei seinem Abstieg gefährlich werden konnte. Keine spitzen Holz- oder Eisenhindernisse, keine Engstelle.
    »Der Grabstein hat ganze Arbeit geleistet. Er hat wirklich alles zermalmt, was ihm im Weg war.« Er kniff seine Augen zusammen und starrte gespannt hinunter.
    »Da!« Er machte einen Hüpfer auf seinem Balken. »Sie ist unten!«
    »Wirklich? Wo?« Marie war schon fast neben ihm auf dem wackeligen Kantholz. »Lassen Sie mich auch mal sehen!« drängelte sie und machte allen Ernstes Anstalten, ihren Fuß auf den schmalen Balken zu stellen, auf dem Pierre über dem Schlund schwebte.
    »Sind Sie verrückt geworden?« Schnell knotete er das Seilende fest, damit es nicht in die Tiefe fiel. »Wenn Sie so weitermachen, haben wir uns beide den Hals gebrochen, noch bevor wir einen Meter weitergekommen sind.« Er rutschte bis zum Grubenrand und drängte sie zurück. »Das ist doch nicht zu fassen!« Er griff nach dem wesentlich dickeren Seil, das er ebenfalls aus dem Schuppen des Totengräbers entliehen hatte. »Da unten gibt es nichts zu sehen!«
    Er fühlte sich fast in seine Jugend zurückversetzt, als er nochohne diesen schwarzen Kittel

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