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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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verzog das Gesicht. Durch die Ablenkung und seine Ankündigung, daß sie sich gemeinsam mit diesem ominösen Loch befassen wollten, hatte sich ihre Stimmung offensichtlich wieder verbessert. Nur ihre geröteten Augen verrieten die vergossenen Tränen.
    Er wollte gerade seinen schlammverkrusteten Schuh von der Grabplatte nehmen, als er bemerkte, daß er gar nicht auf der Ruhestätte des alten Abbé stand, sondern unbeabsichtigt auf einer zweiten, die unmittelbar daneben lag.
    »Ein weiteres Grab?« er sah Marie erstaunt an. Da sie aber ihre alte Form noch nicht wiedergefunden hatte, blieb der erwartete Redeschwall diesmal aus.
    Beide Platten waren fast fugenlos aneinandergefügt und – Pierre bemerkte es erst, als er mit dem Fuß einen Teil des Sandes beiseite geschoben hatte – sie waren von einer gemeinsamen Steinumrandung eingefaßt. Beide Gräber waren unversehrt.Kniend wischte er den restlichen Sand von der Inschrift:
    M ARIE D ÉNARNAUD 1868
    »Wer ist denn das!« Er erhob sich und wandte sich Marie zu, die zu Boden blickte und ganz offensichtlich schon wieder Anstalten machte, ihr Wissen nur widerwillig herauszurücken. Typisch für diese Schnüffelitis! Aber eine derartig ausgeprägte Form der Krankheit habe ich noch bei keinem jugendlichen Menschen gesehen.
    »Nun?« wiederholte er noch einmal forschend und deutete mit dem Finger unerbittlich auf die Gruft.
    »Sie war seine Haushälterin!« antworte sie kurz.
    Pierre betrachtete noch einmal interessiert die Gräber. »Aha!« Jetzt wußte er, was ihn irritierte. »Und warum liegen die beiden hier wie ... Eheleute?« Er stockte innerlich als er seine eigenen Gedanken aussprach. Delikat! Delikat!
    Marie schwieg und hüpfte, während sie zu Boden blickte, immer von einem Fuß auf den anderen. »Ja ... nein ...«, stotterte sie herum.
    Pierre blickte sie erwartungsvoll an.
    »Ich glaube ... nein ... also die Leute sagen ...« Und als sie für einen Augenblick ihren Kopf hob, sah er ihr knallrotes Gesicht. »Sie war wohl seine Geliebte!« stieß sie mit letzter Anstrengung heraus.
    »Was!« Pierre merkte einen heiligen Zorn in sich aufsteigen. »Wollen Sie damit etwa sagen ... daß der Abbé hier in sündhaften Verhältnissen gelebt hat?« Er wurde lauter.
    Marie, die immer noch mit geröteten Wangen vor ihm stand, traute sich nur wortlos zu nicken.
    »Gibt es denn hier in diesem verfluchten Nest überhaupt keine Grenzen mehr?« schimpfte er lauthals über den Friedhof, während Marie es vorzog, jetzt lieber nichts mehr zu sagen.
    »Dieses verkommene Loch!« Lauthals tönte er über die geöffneten Gräber. Von Marie hatte er sich mittlerweile abgewendet. »Sodom und Gomorrha!« Wutentbrannt stampfte er mit dem Fuß auf den Boden, so daß der lose Sand des nächsten Grabes in die Grube rieselte.
    »Verdammt noch mal!« Er trat gegen das Grab des alten Abbé.»Und ich wieder mittendrin!« Er kochte. »So eine Schweinerei!« Schnaufend wandte er sich wieder Marie zu. »Glauben Sie etwa, daß ich freiwillig hier bin?«
    Sie zog es schlauerweise vor, jetzt keinen Mucks von sich zu geben.
    »Mein lieber Herr Bischof hat mich hierher abgeschoben!« Vor lauter Wut war ihm so warm geworden, daß er die obersten Knöpfe seiner Soutane aufriß. »Mit den besten Grüßen meiner Familie! Wieder in den nächsten Schlamassel!« tobte er, während er mit einem Ruck gleich mehrere Knöpfe abriß, weil sie sich ihm widersetzten.
    Marie hielt es immer noch für ratsam, ihn jetzt nicht zu unterbrechen.
    »Wissen Sie eigentlich, daß mich meine letzte Stelle fast das Leben gekostet hat?« knurrte er. »Lungenentzündung!« Er klopfte sich mit der Hand gegen seinen Brustkorb. »Tag und Nacht war ich zwischen diesen verdammten Gemeinden in den Bergen unterwegs.« Drohend hob er den Finger. »Bei Wind und Wetter!«
    Wütend trat er nochmals gegen das Grab des Alten. »Ich verliere fast mein Leben, weil ich meinem Bischof gehorche und das tue, was man von mir erwartet, und dieser verfluchte Kerl hier«, ein weiterer heftiger Tritt folgte, »wirft mit Geld um sich, lebt in Sünde und zieht alles das in den Dreck, wofür ich so viele Jahre meines Lebens geopfert habe.«
    Ganz vorsichtig legte Marie ihre Hand auf seinen Unterarm.
    »Ja, ja!« Er war immer noch gereizt. »Ich weiß schon, als Pfarrer darf man so etwas nicht sagen. Man muß immer geduldig sein Los tragen.«
    Sie klopfte beruhigend mit der Hand auf seinen Arm.
    »Aber jetzt sehen Sie sich mal diese Schweinerei an!« Seine

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