Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
verdanken, dass sie ihre Klamottenauswahl wenigstens im Kleiderschrank überschauen konnte und nicht in diversen Taschen und Kisten danach wühlen musste.
Wenn Mia den gestrigen Tag Revue passieren ließ, so kam sie zu dem Entschluss, zumindest für die nächste Zeit nicht weiter die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Erst mussten die Wogen geglättet und ein Weg gefunden werden, sich als Teil der Klassengemeinschaft betrachten zu können.
Doch Mias sämtliche Garderobe bestand aus Neonleggings, durchlöcherten schwarzen Röhrenjeans und T-Shirts mit eindeutigen Aufdrucken. Wovon das mit dem Fuck! , das sie gerade in den Händen hielt, noch eines der Harmlosen war.
»Verflixter Mist! Was mache ich nur?«, jammerte Mia vor sich hin.
»Na, kann ich dir helfen?«
Erstaunt drehte sich Mia um und sah ihre Mutter, die in der geöffneten Zimmertür stand.
»Ich … ich habe nichts anzuziehen«, flüsterte Mia kaum hörbar.
Mias Mutter lachte leise. »Diesen Satz sagen wahrscheinlich gerade Millionen von Mädchen rund um den Erdball verteilt.«
»Aber es stimmt, Mama! Meine ganzen Klamotten sind so …« Mia suchte nach Worten, um ihr Desaster wenigstens annähernd beschreiben zu können.
»… schrill?«, half ihr ihre Mutter weiter.
Mia nickte stumm.
»Komm mal mit«, meinte sie und winkte ihre Tochter mit dem Zeigefinger in Richtung Elternschlafzimmer.
Dort angekommen drückte ihre Mutter Mia eine große Reisetasche in die Hand.
»Was ist da drin?«, fragte Mia neugierig.
Ihre Mutter lächelte milde. »Weißt du, ich habe mir bereits in Berlin gedacht, dass du deinen Stil sehr bald ändern wirst.«
Mia warf den Kopf in den Nacken und blitzte ihre Mutter herausfordernd an.
»So, hast du dir gedacht!«
Mias Mutter nickte. »Ich habe schon vor einigen Wochen vorsorglich ein paar … neutrale Sachen für dich eingekauft. Dass du allerdings dein Styling bereits am zweiten Tag als … übertrieben empfinden würdest, hätte selbst ich nicht gedacht.«
Mia spürte bereits wieder die ersten Anzeigen von Wut in sich aufsteigen.
Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass ihre Eltern recht hatten, und verspürte das dringende Bedürfnis, ihre Entscheidung verteidigen zu müssen.
»Ich hätte mein Styling niemals geändert. Doch was bleibt mir bei diesen Spießern schon anderes übrig. Wenn hier scheinbar der Omi-Look gerade im Trend liegt, werde ich mich wohl oder übel anpassen müssen!«, blaffte Mia ihre Mutter zornig an.
»Siehst du, vielleicht hättest du dir das mit deinen rosa Haaren dann ersparen können.«
»Nein! Hätte ich nicht! Sie sehen nämlich verdammt cool aus!« Gereizt riss Mia ihr die Tasche aus der Hand und verzog sich in ihr Zimmer.
Mittlerweile kochte sie vor Zorn. Sie lehnte sich an die kühle, weiße Wand und holte tief Luft, um sich zu beruhigen.
Nachdem sie sicher war, ihre Laune einigermaßen im Griff zu haben, zerrte sie an dem Reißverschluss der Reisetasche und beförderte einen Stapel Klamotten und ein paar Schuhe zutage.
Erleichtert bemerkte sie, dass ihre Mutter beim Einkauf nicht zu rosa Spitzenteilen gegriffen hatte.
Im Großen und Ganzen fand sie die Sachen sogar ziemlich okay, wobei sie das natürlich mit keinem Wort erwähnen würde.
Mia entschied sich für blaue Röhrenjeans und ein kurzärmliges schwarzes Top mit Glitzeraufdruck. Und in den grauen Chucks fühlten sich ihre Füße ziemlich wohl. Nur von ihrer schwarzen Lederjacke konnte sich Mia nicht trennen. Die schlang sie sich um die Hüften.
»Steht dir gut!«, befand ihre Mutter, als Mia sich an den Küchentisch setzte.
»Danke«, murmelte sie und ließ dabei offen, ob sie damit die neuen Klamotten oder das Kompliment meinte.
Missmutig kaute sie an ihrem Marmeladenbrötchen und zog das Frühstück somit unauffällig in die Länge. Schon bei dem Gedanken daran, einen der Le Vrai Zwillinge wiederzusehen, drehte sich ihr der Magen um. Und auch Thea war sie eine gute Ausrede schuldig, weswegen sie sie gestern so sträflich versetzt hatte.
»Willst du nicht endlich mal los? Es ist bereits nach halb acht. Ich glaube kaum, dass es einen besonders guten Eindruck macht, wenn du bereits in der ersten Woche zu spät kommst.«
Mia schenkte ihrer Mutter einen missbilligenden Blick, schob wortlos den Teller mit dem angebissenen Marmeladenbrötchen zur Seite und stand auf.
Ohne einen weiteren Kommentar verließ sie ihr neues Zuhause. Das Gesicht ihrer Mutter, welches nichts als
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