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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Zentrum aus dem alles entsprang. Meine liebe Florence, Sie sollten sich besser an den Gedanken gewöhnen, dass Ihre Mundus, die ›Erde‹, von den Weltenbauern des Seelenfängers konstruiert wurde, um dort ›Traveller‹ heranwachsen zu lassen, Legaten, die er für seine Pläne verwenden kann, das ganze Netz unter seine Kontrolle zu bringen, auch den Hauptstrang. Die Erde ist nicht die einzige Welt dieser Art, und sie scheint noch recht jung zu sein. Jedenfalls höre ich jetzt zum ersten Mal von ihr.«
    »Was?«
    Benedict nickte großmütig und nahm noch einen Löffel von dem Brei. Hinter ihm knisterte das Feuer im Kamin, und jenseits der Mauern heulte der Sturm. »Ja, ich weiß, das klingt alles unglaublich für Sie; wir erleben so etwas immer wieder. Aber glauben Sie mir: Es gibt nur eine wahre Welt – wenn man in diesem Zusammenhang von ›wahren‹ Welten sprechen kann –, und sie heißt Lassonde.«
    Florence erinnerte sich an Matthias, an den Matthias der anderen Foundation, an seine Überzeugung, real zu sein, objektiv real und wirklich. Sie hatte noch immer das Bild vor Augen, wie überrascht er gestarrt hatte, als geschah, was er für unmöglich gehalten hatte, als Florence nach der Einnahme von Tetranol und der Aktivierung des Programms nicht etwa nur die Augen schloss, sondern verschwand.
    »Sie glauben mir nicht.« Benedict hatte sie aufmerksam beobachtet. »Sie halten mich für einen Spinner.« Er hob beide Brauen.
    »Um ganz ehrlich zu sein …« Florence sprach nicht weiter.
    »Auf Lassonde begann alles«, sagte Benedict. »Wir Legaten …« Bei diesen Worten deutete er auf seinen Kopf. »… schufen die ersten neuen Welten, und so entstand der Hauptstrang, Dutzende von neuen Mundi. Doch dann erschien er.«
    »Der Seelenfänger.«
    »Ja. Wir wissen nicht, woher er kam. Das Symposium – unsere Regierung, wenn Sie so wollen – vermutete zunächst, dass er von Lassonde stammte …«
    »Wegen der Ähnlichkeit?«, warf Florence ein.
    Benedict musterte sie kurz, bevor er antwortete: »Die Ähnlichkeit, die Sie meinen, ist rein äußerlicher Natur.« Wieder deutete er auf seinen Kopf und dann auf den dünnen Hals. »Sein Bewusstsein hat ein ganz anderes Aroma.«
    Aroma, wiederholte Florence in Gedanken und war sicher, dass Benedict nicht von Geruch oder Geschmack sprach. Vermutlich meinte er so etwas wie eine mentale Signatur.
    »Außerdem spielen solche Dinge in den Mundi ohnehin nur eine untergeordnete Rolle«, fuhr Benedict fort. »Ein guter Legat kann sich die Gestalt geben, die er sich wünscht, wie Sie zweifellos wissen. Nun, der Seelenfänger erschien, entführte unsere Legaten, unsere Traveller, und brachte eine Welt nach der anderen unter seine Kontrolle. Das Symposium reagierte mit der Gründung von Protektor unter der Leitung von Erasmus. Zuerst gelang es uns, die meisten Entführten wieder zu befreien, aber der Seelenfänger stellte sich immer geschickter an und verschleppte unsere Legaten an einen unbekannten Ort, von dem wir nur den Namen kennen: Prisma. Das scheint sein Hauptstützpunkt zu sein, irgendwo in den Weiten des Netzes. Er verstreute seine Fallen, die dazu bestimmt sind, unvorsichtige Reisende einzufangen, und Protektor schickte besondere Kognitoren los, Leute wie mich, mit dem Auftrag, die Fallen zu finden und zu markieren, wenn möglich zu eliminieren.«
    »Aber das ging in diesem Fall schief.«
    »Ja«, sagte Benedict kummervoll. »Vielleicht bin ich etwas zu leichtsinnig gewesen, ja, ich gebe es zu. Neunundzwanzig Fallen habe ich gefunden und markiert; es war zur Routine geworden. Aber diese Falle …« Er kniff die Augen zusammen, beugte sich vor und sprach so, als vertraute er Florence ein Geheimnis an. »Vielleicht gab es hier eine Falle in einer Falle, bestimmt für Protektors Kognitoren.«
    »Was uns zu den beiden Männern zurückbringt, die Sie erschossen haben«, sagte Florence vorsichtig.
    »Zwei Ernter, kein Zweifel«, sagte Benedict. »Sie erschienen während einer Öffnung der Phasenschwelle und versuchten sofort, mich zu überwältigen. Mir blieb gar keine andere Wahl, als Sie zu erschießen.«
    »Fast hätten Sie auch mich erschossen, obwohl ich keine Gefahr für Sie dargestellt habe«, erwiderte Florence.
    Benedict schwieg verlegen.
    »Zeigen Sie mir das Beinhaus«, sagte Florence.
    Im obersten Stockwerk des Hauptgebäudes war die Stimme des Sturms lauter und kräftig genug, die Mauern zum Vibrieren zu bringen. Florence fühlte ihr Zittern, wenn sie die Steine

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