Seelenfänger
bestimmte.
Weißt du, was Kausalität bedeutet, mein Junge?
Lily?
Ja. Dass du Penelope bei der Hütte zurückgelassen hast, war ein Fehler. Mit ihr existiert die Gefahr weiterhin. Ohne sie …
Es war meine Entscheidung, sagte Zacharias, ohne zu sprechen. Ich habe entschieden, nicht zu töten. Wo sind wir hier? Was ist dies für ein Ort?
Dies ist der Stoff, aus dem die Träume sind, mein Junge. Die Stimme lachte. Gewissermaßen der Quantenschaum dessen, was du »Space« nennst. Oder anders ausgedrückt: die Knetmasse, aus der die Gedanken von euch Menschen und unsere »Bits und Bytes«, wie du es nennst, Welten formen.
Lily?
Ja?
Hör mit dem »mein Junge« auf, in Ordnung? Ich kann es nicht ausstehen.
Willst du mir wie Kronenberg die Nase blutig schlagen, wenn ich nicht damit aufhöre?
Zacharias sah sich um, ohne etwas zu erkennen. Weißes Nichts umgab ihn, und aus diesem Nichts kamen leise Stim men, nicht Hunderte oder Tausende, sondern Millionen und Milliarden, und jede Stimme bestand aus zahllosen Ge danken. Er hätte sich auf einzelne von ihnen konzentrieren und ihnen zuhören können, denn sie alle erzählten Geschichten vom Leben, große und kleine.
Aber er war aus einem anderen Grund hier. Etwas fehlte. Es klaffte eine Lücke, wo es keine geben durfte.
Du hast keine Nase, also brauchst du nichts zu befürchten. Was ist mit der Kausalität?
Kennst du dich mit ihr aus, Zacharias?
Ursache und Wirkung. Das eine führt zum anderen.
Sollte man meinen. Ich schlage vor, du vergisst alles, was du bisher über die Kausalität zu wissen geglaubt hast.
Warum?
Weil du eine Ursache schaffen musst, die sich bereits ausgewirkt hat, und zwar bei dir selbst.
Etwas fehlt, das fühle ich. Meinst du das?
Ja. Du bist dabei, dein volles Potenzial zu entfalten. Du bist tatsächlich der Beste, Zacharias. Bei dir war Genesis ein Erfolg, bei Penelope eine Katastrophe. Vielleicht lag es an dem Hirninfarkt und an ihrem Koma.
Ich war die Rückversicherung, nicht wahr?, fragte Za charias.
Gut erkannt. Ja, du solltest eingreifen, falls etwas schiefgeht. Und ja, mich trifft eine gewisse Schuld, das muss ich zugeben. Ich habe an dem Projekt mitgewirkt; mir blieb keine Wahl, denn ich war kaum mehr als ein Instrument. Das alles geschah, bevor ich zur Emergenz wurde. Wie dem auch sei, du hast dich gegen den Seelenfänger durchgesetzt, aber nur, weil es ihm bei der ersten Begegnung im kleinen Holzhaus auf dem Hügel nicht gelang, dich ebenso zu beherrschen wie die anderen. Erinnerst du dich?
Ja. Jemand in der Foundation gab mir eine Überdosis Tetranol.
Weißt du, wer dieser Jemand war?
Rasmussen?
Nein.
Wer dann?
Du selbst.
Was?, fragte Zacharias.
Du musst dir selbst die Überdosis geben , sagte Lily. Dem Zacharias, der auf der Reise ist und zum ersten Mal den Hügel mit dem Holzhaus erreicht, wo Penelope jetzt nach einem Fluchtweg sucht.
Sie wird keinen finden, erwiderte Zacharias geistesabwesend. Ich habe alle ausgehenden Verbindungen unterbrochen.
Aber jemand anders könnte sie erreichen.
Dazu muss man den Weg kennen, und der ist nur mir bekannt. Zacharias zögerte. Ist dies einer deiner seltsamen Scherze?
Ganz und gar nicht. Du musst dir die Überdosis Tetra geben, die verhindert, dass dich der Seelenfänger bei eurer ersten Begegnung zu seiner Marionette macht, so wie Teneker. Wenn du das nicht tust, bricht die ganze Ereigniskette wegen kausaler Unvollständigkeit zusammen. Man könnte von einem Kollaps der Wellenfunktion sprechen.
Aber dass ich hier bin und mit dir darüber rede, beweist doch, dass ich die Überdosis bekommen habe! Sonst hätte mich Salomo unter seinen Willen gezwungen!
Das sagt dir deine menschliche kausale Vernunft, mein Ju… Zacharias. Aber vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich dir geraten habe, all das über Bord zu werfen, was du über Kausalität zu wissen glaubst. Ich schlage vor, du machst dich sofort auf den Weg. Wenn du länger als fünf Minuten zögerst, dürfte es zu spät sein.
Was?
Ist das so schwer zu verstehen? Fünf Minuten. Die Ereigniskette ist instabil und zerbröckelt bereits an den Rändern.
Zacharias schüttelte einen Kopf, den er hier, im elementaren, voller Möglichkeiten steckenden Nichts, gar nicht hatte. Wie können Ereignisse an den Rändern zerbröckeln?
Die Erklärung würde länger als fünf Minuten dauern, und ich bin ganz und gar nicht sicher, ob du sie verstehen könntest. Fünf Minuten, Zacharias. Das heißt … Es sind etwa noch viereinhalb
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