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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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geschehen?«
    Penelope lächelte. »Sie sind in mir, Zacharias. Ich habe ihre Muster gesehen und für nützlich befunden. Sie wohnen in mir und sind glücklich, als meine Freunde.«
    »Bestand deine Aufgabe nicht darin, die Menschen zu befreien, anstatt sie zu versklaven?«, fragte Zacharias bitter. Sie zappelte, er spürte es deutlich. Ganz ruhig stand sie da, aber ihr Muster bewegte sich, ihre Pixel versuchten, zwischen den Fingern seiner geistigen Hände hindurch zuschlüpfen.
    Bring es hinter dich, Junge, dachte er, und fragte sich für einen Moment, ob dieser Gedanke von ihm stammte, oder ob Lily ihn zu manipulieren versuchte.
    »Ich schütze sie«, sagte Penelope. »In mir sind sie in Sicherheit.«
    »Du bist die Seelenfängerin«, murmelte Zacharias. »Du hast ihre Seelen gefangen genommen.«
    »Ich schütze sie, bis die Maschinen besiegt sind. Das ist wichtiger als alles andere, Zacharias: Die Maschinen müssen besiegt werden.« Und zischend fügte Penelope hinzu: »Sie haben uns zu dem gemacht, was wir sind.«
    Was sind wir?, dachte Zacharias. Ich soll ein Mörder werden. Ich soll jemanden töten, der sich nicht mehr wehren kann. Gefällt mir das?
    Er blickte übers nahe Meer, plötzlich heimgesucht von wirren, absurden Gedanken und Empfindungen, und er brauchte einige Sekunden, um sie zu sortieren. Dies war wichtig, für ihn. Sein zukünftiges Leben hing von der Entscheidung ab, die er hier traf; er musste sie mit sich selbst und seinem Gewissen vereinbaren können.
    Es rollten keine Wellen mehr an die zerstörten Hafenanlagen von Sea City. Völlig glatt erstreckte sich das Meer, viel zu glatt für den offenen Pazifik. Es schien nicht aus Wasser zu bestehen, sondern aus spiegelndem Glas.
    »Was ist mit dem Meer?«, fragte er. Er sah zur Sonne hoch, die jetzt nicht mehr so hell schien und eine gelbe Scheibe am Himmel war, auf die er den Blick richten konnte, ohne geblendet zu sein. Die weißen Wolken neben ihr wirkten wie kurze Pinselstriche. »Was hast du mit dem Himmel gemacht?«, fügte er hinzu, denn er wusste, dass Penelope dafür verantwortlich war. Was er hier sah, waren von ihr eingeleitete Veränderungen.
    »Wir brauchen diese Welt nicht mehr«, sagte Penelope.
    »Wir?«
    »Lass uns nach Lassonde zurückkehren und die Maschinen besiegen. Ich weiß jetzt, wo sich Lily befindet, du hast es mir gezeigt. Ihr Widerstand ist es, der mich daran gehindert hat, den Reset zu vervollständigen.«
    »Sie hat mich von deinem Einfluss befreit.«
    »Glaubst du, Zacharias? Sie will dich zwingen, mich umzubringen! Obwohl ich die einzige Hoffnung für alle Menschen auf eine freie Zukunft bin! Die Maschinen sind schuld, begreifst du das denn nicht?« Penelope stand stocksteif, sprach aber mit großem Nachdruck. »Genesis hat KIs benutzt, um uns zu erschaffen. Du hast es Lily zu verdanken, dass du an ALS erkrankt bist und an einen Rollstuhl gefesselt warst. Ihre Entwicklungsprogramme stecken hinter den Tetranol-Tests!«
    Es ist nicht nur eine heilige Mission, sondern auch ein persönlicher Rachefeldzug, dachte Zacharias. Er hob die rechte Hand, betrachtete sie erst von der einen und dann von der anderen Seite, bewegte dabei Daumen und Zeigefinger. Er konnte sie bewegen, denn sie waren nicht gelähmt. Hier litt er nicht an Amyotropher Lateralsklerose; hier hatte er den Körper, den er wollte, und darauf kam es an, auf den Willen. Er gab den Ausschlag. Dies war jetzt seine wahre Welt. Er brauchte nur noch Penelope zu töten, die Seelenfängerin; dann war seine Mission erfüllt.
    Zacharias lauschte den eigenen Gedanken, wie sie flüsterten und riefen, und fand zumindest einige von ihnen reichlich absurd.
    »Es tut mir leid«, sagte er und richtete den Zeigefinger auf Penelope, wie den Lauf einer Waffe. Den Daumen neigte er nach hinten, wie einen gespannten Hahn.
    Wir sind das Ergebnis von Experimenten, von geheimen Versuchen mit einer geheimen, das Nervensystem verändernden Droge, dachte Zacharias, während er zielte und in diesem Moment zum Herrn über Leben und Tod wurde. Wir sind wie zwei Monstren, das eine gut und das andere böse. Aber wer sagt, dass ich das gute Monstrum bin?
    Plötzlich lächelte er und begriff: Er konnte selbst entscheiden. Diese Freiheit stand ihm zur Verfügung: Er konnte selbst entscheiden, gut oder böse sein. Er konnte wählen, und die Wahl lag allein bei ihm.
    Es war eine der grundsätzlichsten und elementarsten Freiheiten eines Lebens, ob es im Space stattfand oder im Realen, wo auch immer

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