Seelenfänger
krank hielt.«
»Einige von Ihnen sind krank, zum Beispiel Zacharias. Er sitzt im Rollstuhl und hat ALS.«
»Ich meine hier krank.« Matthias tippte sich an die Stirn und sah erneut zu den Datenkolonnen auf dem großen Schirm. Die Verlaufsanzeige für die Installation stand bei sieben Prozent und kam kaum voran. Andere Kommunikationsknoten und die Koordinaten von Internet-Backbones wanderten durch die Anzeigefenster.
Thorpes Stimme fing erneut seine Aufmerksamkeit ein. »Kommen wir zu den Interface-Systemen zurück. Es sind spezielle Programme geschrieben worden, und wenn ich richtig informiert bin, haben Sie daran mitgewirkt.«
Warum fragt er, wenn er Bescheid weiß, dachte Matthias. Was soll dies alles? »Ich habe einige Skripte geschrieben.«
»Und einen Teil der Struktogramme.«
Matthias nickte, wodurch die Brille ein Stück die Nase hinunterrutschte. Er schob sie wieder nach oben.
»Na bitte«, sagte Thorpe und lächelte wieder. »Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel.«
Matthias hätte fast laut gelacht. Zum letzten Mal hatte er diesen hoffnungslos veralteten Ausdruck irgendwann in seiner Kindheit gehört, vor dreißig Jahren. Dass der Besucher solche Worte verwendete, wunderte ihn, denn Thorpe wirkte noch recht jung. Je schneller ich es ihm erkläre, desto eher bin ich ihn los, dachte er und holte Luft.
»Das Interface verbindet den Therapeuten sowohl mit dem Traveller als auch mit Lily«, sagte er. »Dadurch kann der Traveller den Therapeuten mitnehmen. Es wird gewissermaßen ein gemeinsames Sprungbrett geschaffen.«
»Das die Traveller aber eigentlich gar nicht brauchen.«
»Richtig. Die für das Interface geschriebenen Programme stimulieren bestimmte Hirnsektionen und stellen dem Therapeuten telemetrische und biotelemetrische Daten zur Verfügung. Der Therapeut kann während der Reise die kör perliche und geistige Verfassung des Travellers kontrollieren und die Mission mit einem Kommandosignal abbrechen, wenn er oder sie das für erforderlich hält.«
»Das Kommandosignal geht an den Computer – an Lily –, und der fährt die Interface-Programme herunter«, sagte Thorpe. Er hatte sich etwas vorgebeugt, und Matthias merkte plötzlich, dass ein seltsamer Geruch von ihm ausging. Das war ihm bisher noch nicht aufgefallen – vielleicht lag es daran, dass sich der von der Klimaanlage kommende Luftstrom ein wenig verändert hatte. Wenn Thorpe sprach, roch es ein wenig nach … Zimt.
»Und der Traveller bekommt einen leichten elektrischen Schlag«, fügte Matthias hinzu und fragte sich, was es mit dem Zimtgeruch auf sich hatte. Er erschien ihm vage vertraut, was darauf hindeutete, dass es irgendwo in seinem Gedächtnis eine damit in Zusammenhang stehende Information gab. Er beschloss, später darüber nachzudenken; derzeit erforderte das Gespräch mit Thorpe seine Aufmerksamkeit. »Der Therapeut kehrt durch die Deaktivierung der Interface-Systeme zurück, und beim Traveller löst der geringfügige elektrische Schlag einen konditionierten Reflex aus, der ihn die Reise beenden lässt.«
»Aber er könnte sie allein fortsetzen, nicht wahr?«, fragte Thorpe.
»Rein theoretisch, ja. Wenn er vorher von dem elektrischen Schlag weiß und sich darauf konzentriert, den Reflex zu unterdrücken.«
Thorpe lehnte sich zurück, und sofort verschwand der schwache Zimtgeruch. »Sie sind hier alle etwas Besonderes. Hier in der Foundation, meine ich.«
»Etwas Besonderes?«
»Sie sind mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Mit nor malen Maßstäben ist kaum jemand von Ihnen zu messen.«
»Warum sollte uns jemand messen wollen?«, fragte Matthias verwundert.
»Ich meine …« Thorpe strich sich mit dem Zeigefinger übers Kinn. »Es gibt Theorien. Einige Evolutionsforscher sind der Ansicht, dass Sie eine Antwort auf den derzeitigen Kataklysmus darstellen könnten.«
»Ich?«, fragte Matthias erstaunt.
Thorpe gestikulierte. »Sie und die anderen. Vor allem die Traveller, aber auch Autisten wie Sie. Leute mit besonderen Fähigkeiten. Inselbegabungen. Savants.«
Matthias musterte ihn. Er glaubte zu verstehen, in welche Richtung die Worte des Besuchers gingen, aber er bezog sie nicht auf sich. »Ich bin Sysadmin«, sagte er.
»Und einer der besten. Wie dem auch sei, manche Evolutionsforscher stehen auf dem Standpunkt, dass Leute wie Sie Förderung verdienen, weil Sie die Zukunft der Menschheit verkörpern könnten, gewissermaßen eine Subspezies des Homo sapiens, dazu fähig, in einer veränderten
Weitere Kostenlose Bücher