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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Welt zu überleben.«
    »Subspezies?«
    Thorpe winkte ab, lächelte und stand auf. Einige wenige Schritte brachten ihn zum Hauptterminal, und dort zog er das Programmmodul vom Fastport. »Das wär’s«, sagte er. »Die neue Firewall ist installiert. Ich danke Ihnen für Ihre Kooperation.« Er ging zur Tür, öffnete sie und zögerte. »Das Gespräch mit Ihnen war sehr interessant. Ich hoffe, dass wir es irgendwann fortsetzen können. Auf Wiedersehen, Matthias.«
    Damit verließ er das Admin-Büro.
    Matthias starrte einige Sekunden lang auf die geschlossene Tür. »Will er mich verarschen?«, murmelte er schließlich und wandte sich dann dem dunklen privaten Monitor zu. Ein Tastendruck ließ ihn hell werden.
    Vor mehreren Stunden hatte er Lily zwei Fragen gestellt. Der Text stand auf dem Monitor:
    Frage: Kracht es im Wald, wenn ein Baum umstürzt und niemand da ist, der es hört?
    Frage: Wie viele Gedanken sind jemals gedacht worden?
    Die Antworten lauteten:
    Antwort: Ist die Katze in der Kiste tot oder lebendig? Es lässt sich nur feststellen, wenn man die Kiste öffnet, doch das Öffnen tötet die Katze.
    »Schrödinger und Heisenberg«, sagte Matthias leise und glaubte zu verstehen. Er las weiter.
    Antwort: Denk an die Atome in einem Sandkorn, Matthias. Und denk an die Sandkörner aller Strände auf der Erde. Ein einzelnes Gehirn denkt mehr Gedanken, als all jene Sandkörner Atome enthalten, und der, den du gerade gedacht hast, hatte Platz genug, sie alle aufzunehmen.
    »Meins nicht«, sagte Matthias und lächelte. Deshalb gefielen ihm die Gespräche mit Lily; ihre Antworten waren immer überraschend. »Mein Gehirn denkt nicht so viele Gedanken.«
    »Wie kannst du da sicher sein, Matthias?« Der Avatar erschien unter der Schrift auf dem Schirm, weder Mann noch Frau, das Gesicht glatt, friedlich und freundlich. »Dein Be wusstsein ist ein Ozean, und die bewussten Gedanken befinden sich ganz oben. Aber die Tiefen darunter sind nicht leer.«
    Matthias stellte sich ein Meer vor, viele Kilometer tief, und nur eine dünne Schicht ganz oben, nicht mehr als einige Dutzend Meter dick, vom Licht erreicht. Der Rest blieb im Dunkeln verborgen, aber er war nicht leer. Es gab Leben dort, Myriaden von Mikroorganismen, und jedes dieser winzigen Lebewesen war wie ein Gedanke.
    Er wollte etwas fragen, klappte den Mund aber wieder zu und sah auf den Schirm. Ein Bildschirmfenster zeigte den aktiven Code des KI-Programms, dessen Basismodule von der südafrikanischen Expertengruppe »Teuvo Kohonen« stammten, nach dem finnischen Ingenieur, der die neuronalen Modelle der Self-Organizing Maps entwickelt hatte. Matthias hatte den Basiscode in den letzten drei Jahren stark erweitert, und Flags wiesen ihn darauf hin, welche Abschnitte der Programmierung bei Gesprächen mit Lily aktiv wurden. Die Flags stammten noch aus der Zeit der Code-Erweiterung und dienten vor allem zur Überwachung der algorithmischen Effizienz, aber diesmal machte Matthias eine Entdeckung, die ihn erst verwunderte und dann Besorgnis in ihm weckte. Einige Algorithmen zeigten überhaupt keine Aktivität, als würden sie vom Programmablauf nicht mehr berührt.
    Und der Avatar …
    Matthias beugte sich vor, sah genauer hin.
    »Diesmal habe ich zwei Fragen für dich, Matthias«, sagte Lily. Ihre Stimme kam aus einem Lautsprecher an der Decke.
    Über dem Avatar auf dem Schirm wechselte die Schrift, und Matthias las:
    Frage: Was bringt die Zukunft?
    Frage: Was ist Intelligenz?
    Matthias starrte auf die Fragen und wusste nicht, was er von ihnen halten sollte. Sie erschienen ihm … nicht banal, aber doch recht einfach. Vielleicht würden sich ihm bisher ungeahnte Bedeutungstiefen erschließen, wenn er genauer darüber nachdachte.
    Er konzentrierte sich wieder auf den Avatar. Das glatte Gesicht hatte sich verändert, wirkte fast traurig.
    »Stimmt was nicht, Lily?«, fragte er.
    »Ich fühle mich … seltsam.«
    Natürlich »fühlte« sich Lily nicht, dachte Matthias und vergrößerte das Codefenster auf dem Bildschirm. Die »Gefühle« der KI-Programmierung wurden durch einige sehr komplexe Algorithmen geschaffen, die Selbstanalyse, Status kontrolle und Progammüberwachung miteinander verbanden und sie mit externen Ereignissen in Beziehung setzten. Es gab Lily die Möglichkeit, auf innere und äußere Reize zu reagieren.
    »Ich fühle mich … anders«, sagte Lily.
    Thorpe, dachte Matthias. Die neue Firewall.
    »Lassen wir die Fragen zunächst«, sagte er. »Versuchen wir

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