Seelenfeuer
gurgelnde Wasser. Der Ruf einer Eule drang durch die Dunkelheit, und im Gebüsch raschelte irgendwo eine Maus.
»Sieh nur, dort im Osten geht Pegasus auf! Das auf dem Kopf stehende Flügelross kündigt bereits den Herbst an«, sagte Johannes und deutete zum östlichen Horizont. Seine warme Stimme klang rau.
Luzia spürte seinen schützenden Arm an ihrer Schulter. Sie schmiegte den Kopf an seine Seite und atmete den holzigen Duft seiner Haut. Ihr Herz klopfte in wildem Galopp gegen die Rippen, und als sie seinen weichen Mund auf ihren Lippen spürte, zersprang sie beinahe vor Glück.
Während sie in seinen Armen lag, spürte Johannes jede ihrer weichen, weiblichen Rundungen durch den dünnen Stoff ihres Kleides. Im Mondlicht wirkte sie fast wie eine Elfe. Er küsste sie wieder und schmeckte die süße Saftigkeit ihres warmen Mundes.
Als sie sich wenig später voneinander lösten, machte Johannes einen Kniefall und nahm ihre Hand.
»Luzia, ich liebe dich mehr als alles auf der Welt und ich
warte schon so lange auf dich. Es wird nie eine andere geben, deshalb frage ich dich, willst du meine Frau werden?«
Luzia spürte, wie ihr das Blut in den Ohren rauschte und wie ihr Herz in seine Arme flog.
»Ja, ich möchte deine Frau werden. Für jetzt und für immer.«
Ein leidenschaftlicher Kuss besiegelte ihr Versprechen für die Ewigkeit.
In der Ferne erkannten sie bereits das Untertor und die mächtige Wehranlage der Stadt Ravensburg.
Der Abschied am Morgen war Luzia weniger schwergefallen, als es beim letzten Mal der Fall gewesen war. Nach Matthias’ überraschendem Geständnis hatte Luzia beinahe die Stunden gezählt, die sie noch von der Rückfahrt trennten. Obwohl die Erinnerung an die Beschuldigungen von Kaplan Grumper mit der Abfahrt wie ein Donnerschlag zurückgekehrt war, fühlte sie sich auf eigenartige Weise befreit, als der Reisewagen Seefelden verließ. Wenn ihr Blick auf Johannes fiel, fühlte sie ein leichtes Kribbeln, und wenn sie an seinen Heiratsantrag dachte, berührten sie die Schmetterlinge in ihrem Inneren. An seiner Seite verloren die Verdächtigungen und Anschuldigungen der Ravensburger ihren Schrecken und glichen bald nur noch einem undeutlichen Nebel.
Inzwischen hatte ihr Fuhrwerk das Vortor passiert und nun warteten sie neben der kleinen Brücke, bis der Torposten sie zur Durchfahrt heranwinken würde.
»Da vorne scheint es Schwierigkeiten zu geben«, sagte Johannes, und er klang nicht sehr erfreut.
Ein älterer Bauer mit wettergegerbtem Gesicht, der eine
ärmliche Fuhre halb verfaulter Kohlköpfe geladen hatte, und ein weiterer mit schrumpeligen kleinen Rüben warteten mit ihnen auf eine Passage, als ein weiteres Fuhrwerk auf die Brücke rollte.
»Da kommt bereits der Nächste«, brummte der Rübenbauer ungeduldig.
Ein einfacher Reisewagen mit halbrundem Dach steuerte auf das Tor zu. Gelenkt wurde er von einem sauertöpfisch dreinblickenden Knecht in einem schlichten, braunen Kittel. Er fuhr geradewegs an den anderen Wagen vorbei und kam neben dem Wachhäuschen zum Stehen.
»He, was fällt Euch ein, stellt Euch gefälligst hinten an! Wir warten schon seit einer halben Ewigkeit auf den Durchlass«, schimpfte der ältere der Bauern.
»Bauern haben nichts zu melden, also halt dein dummes Maul und mach, dass du fortkommst, oder willst du dich mit der päpstlichen Inquisition und dem ehrwürdigen Doktor Kramer anlegen?«, rief der Kutscher drohend.
Luzia, die abgestiegen war, um sich die Beine zu vertreten, erstarrte, als sie den Namen des Reisenden hörte. Ihre Furcht steigerte sich noch, als der Inquisitor aus dem Wagen stieg, um zu sehen, weshalb die Fahrt nicht weiterging. Sein weißes Ordensgewand mit dem darüberliegenden schwarzen Kapuzenmantel gehörte unverkennbar einem Dominikaner. Zuerst steuerte er auf den Wachmann zu, der sich bereits nach einer kurzen Unterhaltung eilfertig verneigte. Während er den Rückweg zu seinem Wagen antrat, fiel sein Blick auf Luzia, die ihr offenes Haar nur notdürftig mit einem dünnen Schleier bedeckt trug.
»Heilige Maria Muttergottes!« flüsterte Luzia, als sie in das
unnachgiebige Gesicht des Mönchs sah. Seine Augen wirkten grausam und eiskalt, und sie bohrten sich hart und gnadenlos in Luzias Herz. Der Dominikaner erinnerte sie an einen Knochenmann aus Basilius’ Schriften. Ausgezehrt und bleich, mit blutleeren Lippen hielt er geradewegs auf sie zu, und noch ehe Luzia flüchten konnte, stand er bereits vor ihr.
»Gelobt sei Jesus
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