Seelenfeuer
zusammenzutragen. Spät in der Nacht war dann alles bereit für den großen Tag der Hochzeit.
Luzia erwachte, als der Hahn weit vor Tagesanbruch krähte. Im Haus war es noch völlig still, alle schienen noch fest zu schlafen. Sie wollte die Gelegenheit nutzen und ein Bad in
den Fluten des Bodensees nehmen. Nur mit einem bodenlangen Hemd bekleidet, rannte sie den schmalen Weg zum Ufer hinunter. Unerwünschte Zuschauer musste sie zu dieser frühen Stunde nicht fürchten. Selbst Jakob lag noch auf seiner Schilfgrasmatratze und schlief. Dafür erwachten die Vögel gerade und begannen ein großartiges Konzert anzustimmen. Die kleinen Sänger saßen in den Ästen der uralten Weiden, die den Uferweg säumten, und schenkten Luzia ihre fröhlichen Weisen. Während der junge Morgen noch frisch und klar roch, sammelten sich die Tränen der Erde als Tautropfen auf jedem Grashalm und jeder schlafenden Blüte. Sie nahm den schmalen Weg, der sie dicht neben dem murmelnden Flüsschen zum Ufer des Sees brachte. Das feuchte Moos unter ihren nackten Füßen fühlte sich kühl und lebendig an. Dicht neben dem Platz, auf dem immer das Sonnwendfeuer errichtet wurde, suchte Luzia nach einer geeigneten Stelle am flachen Ufer. Schnell zog sie das Hemd über den Kopf und setzte ihre Füße ins kühle Nass. Die sanften Wellen küssten ihre Zehen und der aufkommende Wind streichelte ihre nackte Haut. Er brachte den Geruch von Fisch und Seegras mit. Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Venus. Die anderen Sterne waren bereits verblasst, denn im Osten überhauchte der herannahende Tag den Horizont mit Purpur und Gold. Die Zeit vor Sonnenaufgang war geprägt von geheimnisvoller Magie und sagenumwobenen Geschichten. Hier in den Fluten schlossen sich der Beginn und das Ende der Zeit zu einem endlosen Kreis, und der ewige Puls des Lebens wurde fühlbar. Während sich Luzia ganz den sanften Wogen hingab, umschmeichelte die kühle Flut ihre warme Haut und wiegte sie sanft.
Johannes saß ganz still auf einem Stein unter den herabhängenden Zweigen einer Weide. Er selbst hatte bereits gebadet, und als er den Weg zurück antreten wollte, war Luzia bereits nackt am Ufer des Sees gestanden. Sie hatte ihn nicht bemerkt, und jetzt war es zu spät, um den Rückweg anzutreten. Auf gar keinen Fall wollte er riskieren, dass sie sich zu Tode erschreckte, deshalb blieb ihm jetzt nur zu warten, bis sie ihr Bad genossen hatte und wieder fort war.
Er begehrte Luzia so sehr, dass er kaum wagte, Atem zu holen. Ihre zarte Haut schimmerte im morgendlichen Zwielicht wie elfenbeinfarbene Seide, und ihr rotes Haar fiel ihr in üppigen, weichen Wellen bis zu den Hüften. Während sie es wusch und den warmen Honigduft ihrer Haut dem Wasser schenkte, spürte Johannes ein leichtes Ziehen in seinen Lenden. Wie gerne er jetzt das Bad mit ihr teilen würde! Er stellte sich vor, wie er ihre samtene Haut streicheln und ihre weichen Lippen küssen würde. Wie eine anmutige Nixe bewegte sie sich im Rhythmus der Wellen und schien eins zu sein mit dem glasklaren Wasser.
Als sie schließlich ans Ufer zurückkehrte, hielt er für einen Augenblick den Atem an. Die ersten Sonnenstrahlen brachen sich in den tausend Wassertropfen, die Luzias Haut bedeckten. Wie kostbare Diamanten schimmerten die nassen Perlen auf ihrem schlanken Hals und erweckten die rosigen Knospen ihrer Brüste zum Leben. Bei jedem ihrer Schritte sendeten sie kleine Leuchtfeuer aus, doch ehe er vollends den Verstand verlor, schloss er abermals seine Augen, um Luzias Bild für immer in seinen Gedanken zu bewahren. Noch heute wollte er sie fragen, ob sie für immer sein werden wolle, denn sie war die Richtige, die Einzige, für immer. Als seine Augen Minuten
später zu der Stelle im Wasser zurückkehrten, wo Luzia ihr Bad genommen hatte, flirrte die Luft, als hätte sie für immer ein Stück ihrer Seele zurückgelassen.
Die jungen Frauen aus dem Dorf hatten die kleine Kirche mit bunten Wiesenblumen geschmückt und eine dicke Blütengirlande über dem Portal befestigt. Nicht nur das Wetter sorgte dafür, dass die Hochzeit von Ida und Matthias unvergesslich wurde, auch Pater Wendelins Worte ließen den Tag bedeutungsvoll werden.
»Lebt als Kinder des Lichts, die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Und fördert euch gegenseitig, jeder mit der Gabe, die ihm Gott geschenkt hat«, sagte der Pater und legte ihnen die Hand zum Trausegen auf.
Während die Frauen vor
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