Seelenfeuer
nach Ablauf einiger Jahre kein Leben mehr hervorbringen wird!
Wir müssen diesem Treiben Einhalt gebieten, deshalb bitte ich Euch, kommt, sobald es Euch möglich ist, nach Ravensburg.
Erst dann können die Bürger wieder ruhig schlafen und die Kinder wieder auf der Gasse spielen.
In der Hoffnung auf baldige Nachricht verbleibe ich,
Magister Eusebius Grumper, Kaplan der Liebfrauenkirche und Notar.
Kramer eilte zur Tür und rief nach der Magd. Als Klara eintrat, warf er ihr einen Haufen Wäsche vor die Füße.
»Ich brauche noch heute ein sauberes Gewand, also geh und reinige es! Hast du mich verstanden?«
Klara nickte stumm und sammelte eilig die Kleidung zusammen.
»Und jetzt verschwinde endlich!«
Als er ans Fenster trat, um auf die Gasse hinunterzusehen, zeigte sich ein zuversichtliches Lächeln auf seinem Gesicht. Er lebte für die Hexenjagd, und gerade jetzt erklang das Jagdhorn erneut in seinen Ohren. Am Ende der Woche würde er nach Ravensburg reisen.
Seit sie Pater Wendelins Unpässlichkeit veranlasst hatte, der Klosterinsel früher als beabsichtigt den Rücken zu kehren, vergingen die Tage wie im Fluge. Zwischenzeitlich fühlte sich der Pater wieder wohl und konnte nach eigenen Angaben auch wieder schlafen.
Weil Seefelden über keinen eigenen Medicus verfügte, ging Johannes die Arbeit nicht aus. Geduldig lauschte er den Geschichten der Leute, setzte alles daran, ihre Leiden zu lindern und erfuhr dabei auch manch Amüsantes. Er nahm es gelassen und mit dem nötigen Humor, wenn sich herausstellte, dass
der eine oder andere Dorfbewohner lediglich nach ihm gerufen hatte, um dem jungen Arzt über das letztjährige Hochwasser oder die Hochzeitsfeier eines Freundes zu berichten.
Luzia ging Elisabeth zur Hand. Gemeinsam flochten sie dicke Zwiebelzöpfe und ernteten Bohnen und den ersten Kürbis.
Basilius’ Tage waren von etwas mehr Muße begleitet. Manchmal folgte er Jakob auf den See hinaus oder erkundete in langen Spaziergängen die Umgebung, ansonsten saß er vor dem Haus und studierte die Materia Medica des Dioscurides. Oder er beobachtete Nepomuk, wie er mit steil aufgerichtetem Schwanz und zitternden Schnurrhaaren im hohen Gras verschwand, um mit einer fetten Maus zurückzukehren.
Der Tag von Matthias’ Hochzeit rückte näher, und Ida bestand darauf, dass Luzia bei den Hochzeitsvorbereitungen half.
»Ich finde es schade, Luzia nicht während der Geburt unseres ersten Kindes dabeizuhaben. Ich hätte mich in ihren Händen sicher gefühlt«, sagte Ida zwei Tage vor der Hochzeit zu Matthias, während sie gemeinsam auf der Bank vor dem Haus saßen und den Abend genossen. »Es wäre schön, wenn sie in Seefelden bliebe. In ein paar Jahren wird Elisabeth mit dem Haus und dem Garten genug zu tun haben und Luzia könnte ihre Arbeit übernehmen, und wenn sie erst die Frau des Medicus ist …«
»Das wird nicht passieren«, fiel ihr Matthias heftiger als beabsichtigt ins Wort. Er war sich sicher, Luzia würde wieder nach Ravensburg zurückkehren. Selbst wenn es ihm schwerfiel, war er gezwungen, sich mit dem zweiten Platz in ihrem
Leben zufriedenzugeben. Schließlich hatte Luzia es ihm selbst gesagt, aber die Erkenntnis, dass sie ganz offensichtlich einen anderen gewählt hatte, schmerzte mehr, als sich Matthias je eingestehen würde. Allein die Blicke, die sie dem jungen von der Wehr zuwarf, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, stießen ihm einen Dolch ins Herz. Obwohl Matthias für den jungen Arzt eine gewisse Sympathie empfand, fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, dass Luzia bald seine Frau werden würde. Immer war sie seine Luzia gewesen! Zum Henker damit, dachte er bitter.
Seit den frühen Morgenstunden glühte der gemauerte Herd in Elisabeths Küche, und nebenan bei Mechthild verhielt es sich nicht anders. Matthias’ Mutter bereitete die Fleisch- und Fischspeisen zu: Aal in Kräutersoße, gefüllter Hecht, Wildente mit Dörrpflaumen, Fischpastete und ein honigglasiertes Spanferkel, während Elisabeth die Suppe und einige Nachspeisen vorbereitete. Im großen Eisentopf schmorten braune Linsen mit Räucherspeck und Karotten. Während der süße Duft von Mohnpudding und Honigkuchen aus dem Feuerraum des Ofens drängte und die ganze Küche erfüllte, trug Luzia den Korb mit dem frischgebackenen Brot herbei und stapelte die braunen Laibe auf dem Tisch neben dem Bierfass. Später half sie Ida, die Teller zu zählen und die Becher aus sämtlichen Haushalten der Straße
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