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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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Ebereschen.«
    Johannes nickte und schenkte ihr ein bedeutungsvolles Lächeln.
    Luzias Knie wurden weich, als sie daran dachte, dass sie eine Weile ganz allein sein würden. Selbst Nepomuk hatte es vorgezogen daheimzubleiben.
    Seite an Seite folgten sie der Marktstraße zum Rathausplatz.
    Der Platz wimmelte von Menschen. Es hatte den Anschein, als sei ganz Ravensburg auf den Beinen. Neben Bruder Anselm, Grete Muntz und dem dicken Ochsenwirt sahen sie noch viele andere Ravensburger. Sie alle drängten sich um die schwere Rathaustür.
    »Was gibt es denn da zu sehen?«, fragte Luzia.
    »Sollen wir hingehen?«, bot Johannes an, obwohl er Luzias Antwort bereits kannte. Sie mied in der letzten Zeit jede Menschenansammlung.
    Wie er es erwartet hatte, schüttelte sie den Kopf. »Vielleicht auf dem Rückweg«, gab sie leise zurück. Sie erkannte Nanne, die sich ebenfalls an das Tor drängte. Als die Baderstochter sie mit Johannes vorbeigehen sah, wandte sie den Blick ab und eilte mit großen Schritten davon.
    Luzia sah der Freundin traurig nach. Nanne hat sich von mir zurückgezogen, dachte sie, und sie möchte nicht mit mir gesehen werden. Das befremdende Gebaren der Freundin stach Luzia wie ein glühender Stachel ins Fleisch. Eine tiefe
Wehmut überkam sie, doch als sie Johannes’ warmen Blick auf sich spürte, zwang sie sich zu einem Lächeln.
    Einige Ravensburger drehten sich um und starrten ihnen nach, ehe sie zu flüstern begannen. Luzia zuckte zusammen, als sie glaubte das Wort »Hexe!« in ihrem Rücken zu hören.
    In der sonst so belebten Kirchstraße trafen sie auf keine Menschenseele, erst vor den Toren der Liebfrauenkirche drängten sich die Leute wieder zusammen. Auch hier strebten sie dem Portal zu, als gäbe es etwas umsonst.
    »Was gibt es denn dort? Warum drängen sich alle um die Kirchentüren?«
    »Da scheint etwas über dem Eingang zu hängen. Es ist ein Anschlag.«
    »Eben!«, gab Johannes zurück. »Aber von den Leuten dort an der Kirche können die wenigsten lesen. Am Rathaus war es nicht anders. Mit Ausnahme von Bruder Anselm hat auch dort niemand den Anschlag entziffern können.«
    Luzia wusste, dass Johannes recht hatte.
     
    Wenige Minuten später erreichten sie das Frauentor, und auch dort drängten sich die Menschen um einen Aushang, der ein wenig höher hing, als der Größte unter ihnen an Länge maß.
    Michel Weidacher stand in den dunklen Umhang des Wachhabenden gehüllt und mit der Hellebarde in der Hand im Durchgang des Turms, der zur Stadtbefestigung gehörte.
    Wenigstens müssen wir uns nicht mit so einem gemeinen Kerl wie Schwarzenberger herumschlagen, dachte Luzia erleichtert, als sie Nannes Verlobten erkannte. Michel grüßte ein wenig zurückhaltend, aber nicht unfreundlich.

    »Wir wollen ein wenig der Stadtluft entfliehen«, klärte Johannes den Wachmann auf.
    Der junge Weidacher schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid! Ihr könnt gehen«, sagte er, an Johannes gewandt, »aber Euch«, er fasste Luzia ins Auge, »darf ich nicht durchlassen.«
    »Dabei kann es sich doch nur um ein Missverständnis handeln«, gab Johannes freundlich, aber bestimmt zurück.
    »Leider nicht! Befehl der heiligen Inquisition. Auf Geheiß des ehrwürdigen Doktor Kramer darf die Hebamme Luzia Gassner die Stadt nicht mehr verlassen.«
    Luzias Lippen wurden taub, und sie taumelte rückwärts. Hätte Johannes sie nicht gehalten, wäre sie in den Unrat neben dem Tor gestürzt. Sie sah, wie die Pechfackel in dem düsteren Durchgang um ihr Leben flackerte und schließlich doch verlosch. Gleichzeitig erstarb jeder Windhauch um sie herum. Für einen Augenblick kam es Luzia so vor, als wäre ihr Körper in einem Gewirr aus engen Seilen gefangen. Sie roch modriges Wasser und spürte, wie es über ihrem Kopf zusammenschlug und sie in die Tiefe riss.
    »Es tut mir wirklich leid«, bekundete Michel ehrlich. Der Medicus tat einen Schritt auf Michel zu und funkelte ihn wütend an.
    »Mit welcher Begründung belegt die Inquisition meine zukünftige Frau mit einer Ausgangssperre?«, fragte er ungehalten. Sein Ton ließ jede Freundlichkeit vermissen.
    Während Michel langsam die Schultern hob, versuchte er dem zornigen Blick des Medicus standzuhalten.
    »Das solltet Ihr Bruder Heinrich besser selbst fragen. Ich tue hier nur meine Pflicht.«
    Johannes nickte. »Ich verstehe!«, gab er eisig zurück. »Doch
merkt Euch, es gibt durchaus Befehle, über deren Sinn oder Unsinn der Verstand eines Menschen entscheiden sollte! Eure

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