Seelenfeuer
welche die kirchlichen wie auch die weltlichen Gerichte jederzeit zurückgreifen konnten. Und er allein war in der Lage, ein solches Werk zu verfassen! Kramer sah es bereits vor sich. Das Buch der Bücher würde fortan nicht mehr die Bibel sein, sondern seine Unterweisung zur Vernichtung aller Hexen. Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sah zur Decke.
Auf einem Pergament hatte er sein Werk in drei große Kapitel unterteilt.
Im ersten Abschnitt wollte er darauf eingehen, wer der Hexerei angeklagt werden müsse, welche Zeugen zu hören seien und was als Schuldbeweis anerkannt werden solle. Mit flinken Fingern notierte er, dass jeder eine Hexe sein könne, aber Frauen weitaus häufiger vom Teufel heimgesucht wurden, weshalb man auf sie ein besonderes Augenmerk legen solle. Ihre bösen Zungen, ihre Leichtgläubigkeit und die Gier ließen sie zu leichten Opfern für den Satan werden. Frauen waren die größten Feinde der Freundschaft. Sie stellten ein notwendiges Übel dar. Körperlich schwach, im Geiste zurückgeblieben und geschwätzig wie die Elstern, die zur Familie der Raben zählten, blieben sie lebenslang ein unfertiger Mann und damit diesem auf alle Zeiten unterstellt. Weiter notierte er, dass jeder als Zeuge gehört werden und ausnahmslos alles als verdächtig angesehen werden solle. Ein Blick oder ein bloßes Vorbeigehen sollte genügen, um aus einer Frau eine Hexe zu machen. Grundsätzlich sollte es den Hexenrichtern möglich sein, das Inquisitionsverfahren jederzeit ohne einen einzigen Zeugen zu eröffnen.
Im zweiten Teil wollte er über die Besonderheiten einer Hexe schreiben. Darüber, was eine Frau zur Hexe machte. Hier wollte er vor allem auf das Bündnis und die fleischliche Vereinigung mit dem Teufel eingehen und über die Macht der Hexe schreiben, im Manne stets aufs Neue die Lust des Fleisches zu wecken. Er würde erläutern, dass die Hexe durch Wegzaubern seines Gliedes einen Mann an der Ausübung seiner ehelichen Rechte hindern könne. Dass sie Kinder schon in den Leibern ihrer Mütter verhexen oder töten konnte. Über Schadenszauber aller Art und das Wettermachen wollte er schreiben und vom Anhexen furchtbarer Krankheiten bis
hin zum qualvollen Tode des Opfers. Auch die Verwandlung in Tiergestalten musste erwähnt werden. Schwarze Katzen, Raben oder Wölfe waren in Wahrheit wandelnde Hexen. Dann wollte Kramer noch auf die Hexenhebammen eingehen, sie bereiteten ihm besonders große Sorgen. Die Hebammen saßen an den Quellen der ungetauften Seelen. Aus seiner Sicht ging von den Hebammen die allergrößte Gefahr aus, weshalb er den unheilvollsten aller Weiber einige zusätzliche Seiten widmen wollte.
Das letzte Kapitel sollte ein Kriminalkodex werden. Hier wollte er Richtlinien für das Gerichtsverfahren verfassen. Welche Methoden zur Wahrheitsfindung zugelassen werden sollten und wie die geständige Hexe zu bestrafen sei. Hier durfte auch die Belehrung der weltlichen Gerichte nicht zu kurz kommen. Die Henker mussten unterwiesen werden, wie sie der Hexe ein Geständnis entlocken konnten. Dazu durfte alles Verwendung finden: Versprechungen, Drohungen und jede Form der Folter, die nicht zum Tode führte.
Kramer ersann sich bereits einen Titel für sein Werk, das dank des modernen Buchdrucks die Welt erobern sollte:
Malleus Maleficarum – Der Hexenhammer!
Mit seiner Veröffentlichung würde es noch nachfolgenden Generationen leichtfallen, die Unholdinnen zu enttarnen und sie für alle Zeiten auszurotten!
Grete Muntz klopfte und trat ein.
»Wünscht Ihr zu Abend zu essen?«, fragte sie. »Der Kaplan begibt sich gerade zu Tisch. Ich habe den Herren Linsensuppe und Huhn in Zimtsoße bereitet.«
Sie lächelte ihn auf eine Art an, in der sich Unterwürfigkeit und Komplizenschaft die Waage hielten. Seit Grete den Verkauf
des geweihten Salzes übernommen hatte, war das Essen im Pfarrhaus noch üppiger geworden. Nicht, dass sie sich der Todsünde der Völlerei hingegeben hätten, beileibe nicht, aber die Veränderung hatte Kramer sehr wohl bemerkt. Missmutig stellte er fest, dass Grete eine neue Schürze trug, die sogar bestickt war.
»Ich faste heute Abend. Ich habe zu arbeiten. Lass mich allein!«, gab er unfreundlich zurück.
Grete verschwand eilig, und Kramer wandte sich wieder seinem Hexenhammer zu.
»Nun, Gassnerin, wann hast du der heiligen Kirche abgeschworen und dich dem Teufel zugewandt?«
»Ich habe mich zu keiner Zeit von Gott abgewendet, und der
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