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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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Hölle noch weitaus schlechter ging als ihnen, erzeugte einen wohligen Schauer auf dem Rücken der Schaulustigen. Viele wollten zumindest darin ein klein wenig Gerechtigkeit sehen. Schließlich hatte der von den Hexen gemachte Hagel sie alle um ihr Auskommen gebracht, und an der Pest waren sie auch schuld.

    Obwohl sich Johannes im Randbereich des Holzmarktes bewegte, hatte er alle Mühe durchzukommen. Ab und an wurde er angerempelt oder durch ein ungünstig gestelltes Bein in seinem Fortkommen gebremst. Er wollte den Platz so schnell wie möglich hinter sich lassen und zwang sich, nicht zu dem brennenden Scheiterhaufen zu sehen. Einmal mehr fragte er sich, warum sich die Menschen schlimmer als die wildesten Tiere verhielten. Blutrünstig und barbarisch kamen sie ihm vor. Die meisten starrten mit offenen Mündern in das große Feuer, das zwischen Liebfrauenkirche, Stadttor und Grünem Turm brannte. Sie begriffen nicht, dass ihre Frauen, Töchter, Schwestern und Tanten bereits die Nächsten sein konnten, die man als Hexen verbrannte.
    Mittlerweile hatten die gierigen Flammen Brigittas und Franziskas Büßerhemden erreicht. Die härenen Kittel brannten lichterloh. Jetzt glichen die Frauen einer lebenden Fackel. Bald machten ihre Schreie einem erstickten Keuchen Platz und irgendwann verstummten sie ganz.
    Über den Platz waberte ein unerträglicher Gestank nach verbranntem Fleisch und verkohltem Haar. Einige atmeten durch den Stoff ihrer Ärmel, was aber ihre Sensationsgier nicht bremste.
    Johannes schüttelte angewidert den Kopf. Das begierige Glotzen der Leute erregte auf unmäßige Weise seinen Zorn. Nie würde er zulassen, dass Luzia die Nächste wäre.
    Als wäre das Gedränge auf dem Richtplatz noch nicht dicht genug, erschien in diesem Augenblick der Pestwagen. Die Pestknechte klingelten die Glocke, um sich bemerkbar zu machen, und die Menschen wichen ängstlich zurück. Niemand wollte dem Gefährt zu nahe kommen und sich mit dem
schwarzen Tod anstecken lassen. Widerwillig bildeten die Menschen eine Gasse, die sich gleich wieder schloss, nachdem der Wagen vorüber war.
    Johannes beobachtete die Szene genau. Sein Plan nahm langsam Gestalt an.

23
    L uzia Gassner zeigte dem Inquisitor täglich aufs Neue, dass sie nicht ansatzweise so schnell einbrechen würde wie die beiden anderen Frauen. Der Henker hatte ihre Asche bereits in alle vier Winde verstreut, doch sie leugnete immer noch.
    Obwohl er und vor allem Eusebius Grumper mit der Gassnerin bereits seit neun Tagen überaus hart ins Gericht gingen, saß die Hexe noch immer auf ihrem Schemel und brachte sie täglich dem Wahnsinn ein Stückchen näher.
    Mit fester Hand strich sich Heinrich Kramer über den kahlen Kopf, der im Zwielicht des herannahenden Abends einem Totenschädel glich. Energisch verließ er seinen Platz am Fenster und trat zur gegenüberliegenden Seite an Kaplan Grumpers Bücherregal. Bereits mehrmals war er im Kloster zu Altdorf gewesen, um die Schriften hochgestellter Kirchenfürsten einzusehen und einige Texte auszuleihen. Jetzt suchte er nach einer Stelle im zweiten Buch Mose. Zufrieden trug er das in vierzig Kapitel unterteilte Buch zu Grumpers Schreibtisch und ließ sich nieder. Vorsichtig blätterte er in den gebleichten Seiten aus Tierhaut, ehe er die Stelle fand. Seine Finger strichen mehrfach darüber: Zauberinnen sollst du
nicht am Leben lassen! Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem mageren Gesicht aus.
    Nachts schrieb er jetzt immer neue Entwürfe und Gedanken zum peinlichen Verhör auf. Er durchsuchte die Niederschriften jedes Kirchenmannes und forschte in den Abfassungen sämtlicher Philosophen, um Nachweise dafür zu finden, dass das Böse untrennbar mit dem Weiblichen verbunden war. Bei Sokrates hatte er angefangen, nach Belegen für das Böse, das Teuflische zu suchen. Seine Lektüre bestärkte ihn in der Befürchtung, dass es neben der Gassnerin und den beiden verbrannten Hexen viele weitere Weiber gab, die mit dem Teufel im Bunde waren.
    Und wie gefährlich sie waren, das bekam er jeden Tag persönlich zu spüren, wenn ihn die Gassnerin, trotz ihres geschundenen Leibes, in Verwirrung stürzte. Täglich kämpfte er darum, sich nicht im sorgfältig gesponnenen Netz ihrer Lügen zu verfangen.
    Die Schwierigkeiten im Gerichtsverfahren gegen die Gassnerin hatten ihn in seiner Meinung bestärkt, dass die Welt unter allen Umständen einen Leitfaden benötigte, eine detaillierte Anleitung zur Hexenjagd. Eine Schrift, auf

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