Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
Vom Netzwerk:
seiner überaus dummen Klage angezettelt hatte, musste ein für alle Mal aus seiner Stadt verschwinden. Auch dieses Geschwätz ums Wettermachen, das einige seiner Männer immer wieder vorbrachten, hielt er, gelinde gesagt, für Blödsinn. Freilich ging es den Leuten momentan nicht besonders gut. Bereits das dritte Jahr in Folge waren die Ernten mehr als bescheiden ausgefallen, und nach einem ungewöhnlich kalten Winter zeigte sich das Frühjahr bislang mehr als dürftig. Die Speicher des Kornhauses standen leer. Die Preise waren ins Astronomische gestiegen und die Löhne in den Abgrund gefallen. Viele litten an Auszehrung und Krankheiten aller Art.
Besonders hart traf es dabei die einfachen Handwerker und die Bauern, die ohne eigenen Besitz dastanden. Nicht zu reden von den Tagelöhnern. Aber sie alle gehörten in diese Stadt wie der Blaserturm und der andere Turm, der weiße Mehlsack, der das Wahrzeichen Ravensburgs war. Einerlei, es würde auch wieder anders kommen. Davon war er überzeugt.
    Noch einmal räusperte sich der Bürgermeister. »Meine Herren, lassen Sie uns nun zum ersten Punkt unserer Tagesordnung kommen. Dabei handelt es sich um den Vorschlag des Erzherzogs Sigmund von Österreich. Nachdem nun auch dem letzten Mann klar sein sollte, dass der Bodensee-Städtebund bereits im Jahre 1475 unwiederbringlich auseinandergebrochen ist, bleibt zu überlegen, ob wir dem Drängen des Vetters Kaiser Friedrichs III. nachgeben sollten. Erzherzog Sigmund drängt sich uns geradezu als neuer Bündnispartner auf. Dabei will er um jeden Preis die Städte der Landvogtei Schwaben, aber auch die um den Bodensee, also auch Lindau, Buchhorn und Überlingen, in sein österreichisches Bündnissystem eingliedern. Meine Herren, bitte bedenken Sie, Sigmunds Bündnis würde Ravensburg einerseits mehr Schutz gewähren, uns aber andererseits in unserer politischen Bewegungsfreiheit stark einschränken. Bislang ist Ravensburg als freie Reichsstadt einzig Kaiser Friedrich III. sowie dem Reich verpflichtet, und so sollte es nach Möglichkeit auch bleiben.«
    Obwohl die Möglichkeiten eines Schutzbündnisses eingehend diskutiert wurden, kamen die Räte zu keiner Einigung. Zu unterschiedlich waren die Ansichten der einzelnen Männer.
    An zweiter Stelle der Tagesordnung stand die Klage Berthold
Schwarzenbergers gegen die Hebamme Luzia Gassner. Die Ratsmitglieder bestanden darauf, nochmals die Geschichte der Hebamme zu hören. Jede Einzelheit wurde von Neuem eingehend besprochen.
    »Warum wurde eigentlich die Hebamme Luzia Gassner nicht einem Gottesurteil unterzogen?«, meldete sich Benedict Egle, Zunftmeister der Schneider, zu Wort. Der wohlgenährte, kleine Mann lehnte sich betont gelassen in seinem Stuhl zurück und leckte sich ein paar Weintropfen von den Lippen. Ludwig Bopfler, Zunftmeister der Bäcker, nickte heftig zu Egles Worten. Dem Rest der Stadträte wich genau wie dem Bürgermeister selbst die Farbe aus dem Gesicht.
    In einem Gottesurteil hoffte man die Entscheidung bei ungeklärten Sachverhalten in einem Rechtsstreit durch ein göttliches Zeichen herbeizuführen. Verdächtige, die ihre Unschuld nicht eindeutig belegen konnten, mussten durch ein solches Ordal ihre Unschuld beweisen. Am häufigsten kam das Wasserbad zur Anwendung. Dabei machten es sich die Richter recht einfach: Der Beschuldigte wurde bis zur völligen Bewegungslosigkeit gefesselt, dann warf man ihn in ein stehendes Gewässer. Sank der Angeklagte auf den Grund und blieb dort, war seine Unschuld bewiesen. Oft war er bis dahin allerdings ertrunken. Trieb er dagegen nach geraumer Zeit zur Wasseroberfläche hinauf, konnte er sich einer Verurteilung nicht entziehen. Seit Jesus Christus mit dem Jordanwasser seine Jünger getauft hatte, wurde allen Gewässern eine gewisse Heiligkeit zugesprochen. Demnach war es die Entscheidung von Gott, den Übeltäter zu entlarven.
    Ettenhofer konnte dieser Art der Wahrheitsfindung nichts abgewinnen. Er räusperte sich, bildete mit den Fingern eine
Pyramide und fixierte den Zunftmeister mit einem kühlen Blick.
    »Weil Ammann Jost und ich keinen Anlass hatten, Jungfer Gassners Ausführungen keinen Glauben zu schenken. An ihren Worten bestand nicht der geringste Zweifel. Außerdem befragten wir den jungen Weidacher zu dem Hergang im Kerker. Beide Aussagen waren absolut identisch. Und jetzt …«
    »Das mag ja alles sein, und all das wissen wir bereits. Aber bedenkt, selbst wenn sich Schwarzenberger getäuscht hat und die Gassnerin

Weitere Kostenlose Bücher