Seelenfeuer
und ihre Stimme schien aus dem Nirgendwo zu kommen.
Basilius schüttelte den Kopf. »Nicht, solange Ettenhofer auf deiner Seite steht. Kraft seines Amtes wird es ihm gelingen, die meisten der Räte davon zu überzeugen, dass du nichts Unrechtes getan hast. Sorgen bereitet mir allerdings Grumper. Er will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Ettenhofer schreibt, er verhalte sich äußerst unversöhnlich.«
Luzia schluckte schwer und legte die Hand auf ihr Herz. »Wieso weiß der Kaplan davon?«
»Nun, wenn der Teufel ins Spiel kommt, lässt sich die Kirche schwerlich heraushalten.«
Natürlich, dann versucht man ihn mit dem Beelzebub auszutreiben, dachte sie bitter.
11
M acht endlich die Tür zu und setzt Euch!«, brummte Ettenhofer, an Benedict Egle gewandt. Obwohl er schon heißen Wein und geröstetes, mit Schmalz bestrichenes Brot hatte bringen lassen, fror der Bürgermeister sichtlich. Das lag nicht allein an den unwirtlichen Temperaturen, die selbst am Anfang des vierten Monats im Jahr noch wärmende Kohlebecken erforderlich machten. Voller Unbehagen blickte Ettenhofer in die Runde und nickte schließlich.
»Hiermit erkläre ich die Ratsversammlung für eröffnet. Wir schreiben den 8. des Ostermondes im Jahre des Herrn 1484.«
Alle Mitglieder des einundzwanzigköpfigen Stadtrates der freien Reichsstadt Ravensburg saßen auf ihren Plätzen und warteten darauf, dass der Bürgermeister, der dem Rat vorsaß, die Punkte der Sitzung verlas.
Der holzgetäfelte Ratssaal mit seiner gewölbten Bohlenbalkendecke war das Herz des Rathauses. Hier tagte neben dem Stadtrat auch das elfköpfige Blutgericht, das sich wiederum aus Mitgliedern des Stadtrats zusammensetzte. Die Amtsbrüder beider Räte stammten überwiegend aus dem Patriziat.
Den Rest der Ratskollegen stellten die acht Meister der Handwerkerzünfte.
Im Ratssaal herrschte immer eine besondere Stimmung, hier war die Macht fast greifbar und zog die Anwesenden in ihren Bann.
Die zur Straße gelegenen kleinen Fenster waren allesamt bleiverglast und zeigten die Wappen der Stadt und des Reichs. Von den schlichten Fensterpfeilern aus hellem Sandstein fielen dem Betrachter zwei besonders ins Auge. Sie zeigten in einer ausnehmend schönen Steinmetzarbeit eine Szene aus der Erzählung von Tristan und Isolde. Das ungetreue Liebespaar, welches als Gleichnis auf den Sündenfall von Adam und Eva anspielte, galt den Anwesenden als Symbol des Gerichtssaals. Hier sollte die göttliche Ordnung wiederhergestellt werden.
Alle einundzwanzig Räte saßen um den mächtigen ovalen Eichentisch, unter dem mehrere Kohlebecken Platz fanden. Bürgermeister und Ammann saßen sich gegenüber. Die mit feinen Schnitzarbeiten verzierten Wände wurden durch Porträts der vorangegangenen Amtsinhaber geschmückt. Überall hingen rußende Talglichter an den Wänden und vor beinahe jedem Ratsmitglied stand eine etwas weniger Ruß erzeugende Öllampe. Während Decke und Wände aus dunklem Holz bestanden, die das ganze Licht schluckten, ließen auch die Fenster fast keine Helligkeit herein, was zu allen Zeiten eine geheimnisvolle, beinahe gespenstische Stimmung erzeugte. Fast als atme der düstere Raum die Angst all jener aus, die hier schon auf ein hartes Urteil gewartet hatten.
Ettenhofer saß genau gegenüber dem Fenster, welches die Szene aus Tristan und Isolde zeigte. Er bemerkte, dass auch
seine Nebensitzer einen Blick darauf warfen, als würden sie ein schlechtes Omen sehen. Um das schlechte Gefühl zu vertreiben, räusperte er sich energisch. Er wollte aus der Angelegenheit Schwarzenberger keine große Sache mehr machen und sie endlich vom Tisch haben. Schließlich hatten er selbst und der Ammann zusammen mit den Räten bereits viele Stunden über der Klagesache zugebracht und Luzia Gassner selbst befragt. Bei der heutigen Sitzung wollte er nur noch den sturen Rest seiner Gefolgsleute davon überzeugen, dass Schwarzenberger die Hebamme Luzia Gassner mit seiner Geschichte lediglich denunzieren wollte, und somit die unangenehme Angelegenheit endgültig zum Abschluss bringen. So sah er es und der Großteil seiner Männer ebenfalls.
Diesen neuen Wahn, der auf der anderen Seite des Sees Fuß gefasst hatte, wollte er in seiner stetig wachsenden Stadt auf gar keinen Fall zulassen. Das brachte nur Unruhe unter den Leuten und schadete dem Handel. Außerdem hielt Ettenhofer das ganze Gerede über Hexen für ausgemachten Humbug. Dieser Hexen- und Teufelsdreck, den Schwarzenberger mit
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