Seelenfeuer
nicht mit dem Teufel im Bunde steht, hat sich die Hebamme durch den Gnadenakt an der Vögelin schuldig gemacht. Einer zum Tode verurteilten die Gnade des schnellen Todes zu gewähren, steht einzig dem Vogt zu«, fiel ihm Ludwig Bopfler ins Wort. Er hatte nicht einen Augenblick an den Worten des Wachmanns gezweifelt. Freilich war Berthold nicht der Hellste, doch er hatte Augen im Kopf und feine Ohren. Was sich dort im Kerker abgespielt hatte, musste bestialisch gewesen sein. Nach Schwarzenbergers Worten fanden sie Berta Vögelins Leichnam in einem grausigen Zustand. Deshalb konnte er Ettenhofers Halsstarrigkeit nicht verstehen. Zum Teufel mit diesem geilen, alten Bock!, dachte er zornig.
Benedict Egle mischte sich ein: »So ist es. Und wenn Aussage gegen Aussage steht, kann das Gericht ein Gottesurteil verlangen. Nur weil die Gassnerin ein rassiges Weib ist, sollten wir uns nicht von ihr täuschen lassen«, pflichtete er ihm bei.
Bopfler nickte. Wie so häufig teilte sein Amtsbruder seine Meinung.
»Lieber Himmel!«, stöhnte Ettenhofer und hob die Hände zur Decke. »Eigentlich hatte ich gehofft, diese Angelegenheit schnell vom Tisch zu haben.«
Ein Großteil der Räte klopfte zustimmend auf die Tischplatte vor sich. Da es bereits gegen Mittag ging, neigte sich die Geduld der meisten dem Ende zu.
»Warum zweifelt Ihr eigentlich so sehr an Schwarzenbergers Geschichte?«, wollte Egle wissen und wartete mit gespannter Miene auf Ettenhofers Antwort. So schnell wollte er nicht klein beigeben, zumal er sich Bopflers Zustimmung sicher sein konnte.
»Mit Verlaub, wir sprechen über einen stadtbekannten Trunkenbold und einen Hurenbock obendrein.«
Einige Ratsmitglieder verkniffen sich mühsam ein Lächeln. Schließlich galt Ettenhofer selbst nicht gerade als Kind von Traurigkeit. Freilich verkehrte er, was die Damen betraf, in besseren Kreisen als Schwarzenberger, der alles nahm, was er kriegen konnte.
»Außerdem darf ich Euch vielleicht daran erinnern, dass es Jungfer Gassner war, die Eurer Tochter nach wie vielen Totgeburten endlich zu einem gesunden Kind verhalf«, sagte er an den Schneider gewandt. »Ihr könnt froh sein, dass Euer Mädel noch lebt! Darüber hinaus haben Ammann Jost und ich beschlossen, dass wir in unserem Städtchen keine Hexenverbrechen dulden. Es scheint zwar irgendwie in Mode zu kommen, unter den bis dahin unbescholtenen Bürgern plötzlich eine sogenannte Unholdin zu entlarven, aber diese neuartige Erscheinung wird um Ravensburg einen Bogen machen müssen«, fuhr Ettenhofer sichtlich gereizt fort.
»Dann glaubt Ihr also, dass sich die Konstanzer in ihrem Prozess gegen Ursel Hübner getäuscht haben? Immerhin wurde ihr Hexerei vorgeworfen. Mithilfe eines Wetterzaubers soll sie Stürme heraufbeschworen haben, die lediglich
der Teufel zustande bringt«, warf Ludwig Bopfler mit einer wütenden Handbewegung ein.
Wie Ettenhofer diese Leier hasste! Er wettete mit sich selbst, ob diesmal Bopfler oder eher Egle das altbekannte Lied anstimmen würde, die Missernten der letzten Jahre seien der Hebamme anzulasten. Bereits beim letzten Mal wurde heftig darüber diskutiert, ob nicht auch der schlechte Zustand der Felder dem Tatbestand der Hexerei zuzuschreiben sei.
»Es gibt keine Hexen!«, wetterte der Bürgermeister und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Vielleicht solltet Ihr Euch zur Nacht wieder einmal von Eurem Weib das Genick kraulen lassen. Möglicherweise würde sich Eure Stimmung dadurch ein wenig bessern und Eure Streitlust würde gemildert!«
Geziert kratzte sich Egle seine breite Nase. Er erinnerte Ettenhofer immer an eine dicke Unke. Sein großer Kopf mit den feisten, immer geröteten Wangen ging übergangslos auf den gedrungenen Rumpf über. Dazu kleidete er sich wie ein Geck. Egle galt unter den Mitgliedern des Rats als stur und unbelehrbar. Jetzt betrachtete er seine makellosen Hände, die nur knapp unter den bauschigen Ärmeln seines Hemdes hervorschauten. Zusammen mit seinem engsten Freund und Ratskollegen Bopfler gehörte er zu den weniger beliebten Stadträten.
»Zu bedenken bleibt auch, dass unser sehr verehrter Kaplan Grumper die Gassnerin für schuldig in Punkt zwei der Anklage befindet. Nach seiner Meinung besteht kein Zweifel, dass die Gassnerin mit den Mächten der Finsternis im Bunde steht. Und um noch einmal auf Schwarzenberger zurückzukommen:
Nun, im Gegensatz zu Euch hält Kaplan Grumper große Stücke auf ihn. Im Übrigen auch auf einige seiner Kollegen. Michael
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