Seelenfeuer
und nicht wie ein Lümmel im Stuhl zu fläzen.
In der Ecke ruhte ein gewaltiger gemauerter Ofen, und auf den Eichendielen des Fußbodens lagen dicke Teppiche, die jeden Schall schluckten. Bertholds neugieriger Blick glitt zuerst zu der stattlichen Truhe unter dem Fenster und blieb
schließlich an dem gegenüberliegenden Regal hängen. Auf den Brettern aus poliertem Kirschholz standen Grumpers Bücher. Lückenlos reichten die Reihen vom Boden bis zur Decke. Berthold fragte sich, was Grumper mit dem ganzen unnützen Kram wollte. Er hätte damit den Ofen geheizt, denn lesen konnte er nicht, genauso wenig wie er des Schreibens mächtig war. Wozu auch? Es war ihm noch nie abgegangen.
Als Grumper endlich kam, brachte Grete heißen Wein, der teuer und kostbar duftete, dazu in Honig eingelegte Datteln. Nachdem sie beides auf dem Schreibtisch abgestellt hatte, verschwand sie unter allerlei demütigen Gesten.
»Was führt dich zu dieser späten Stunde noch hierher?«, wollte Grumper mit einem Lächeln wissen. Eigentlich ärgerte er sich über die Störung, dennoch wollte er einen seiner besten Informanten nicht verprellen. Erst vor ein paar Tagen hatte Schwarzenberger einige Abgesandte aus Rom mit überaus wertvollen Reliquien ohne die Erhebung irgendwelcher Zölle passieren lassen. Dass er die Zölle bei der Einfuhr von Lebensmitteln manchmal verdreifachte, interessierte Grumper hingegen nicht. Wenn die einfältigen Bauern nicht rechnen konnten, waren sie selbst schuld.
Schwarzenberger versorgte ihn für ein kleines zusätzliches Einkommen mit allem, was er wissen musste. Der Wachmann war erbarmungslos genug, seine gesponnenen Fäden zu Ende zu weben, und dumm genug, um nicht zu merken, dass er nur eine Marionette in seinem Spiel war.
In der Gewissheit dessen störte sich Grumper an seinem nächtlichen Besuch schon weitaus weniger. Er nahm einen großen Schluck Wein, lehnte sich zurück und versuchte sich zu entspannen.
Schwarzenberger begann mit ein paar Nichtigkeiten, doch als Grumper aufstehen wollte, warf er den Namen der Hebamme in den Raum.
»Es war noch während des Taumondes, als die Gassnerin an einem Morgen das Tor mit einem blutbeschmierten Bündel passieren wollte. Doch das geht schließlich nicht so einfach, schon gar nicht, wenn der Wachmann Schwarzenberger heißt«, brüstete er sich.
Grumpers Miene entnahm er, dass ihn diese Lobhudelei langweilte. Schnell fuhr er in seiner Geschichte fort.
»Also habe ich sie aufgefordert, mir das Bündel zu zeigen. Aber die rote Schlange zierte sich, und so blieb mir nichts anderes, als ihr das dreckige Leinen zu entreißen. Währenddessen beschimpfte sie mich wild und unflätig und wünschte mir die Pest an den Hals.«
»Gut, gut, ich kann es mir vorstellen.« Mit einer Handbewegung schnitt Grumper Schwarzenberger das Wort ab. »Was enthielt denn nun dieses geheimnisvolle Bündel?«
»Na, ein neugeborenes Balg. Eben erst aus der Mutter gekrochen, alles war noch voller Blut und Gott weiß was«, sagte Schwarzenberger, während sich in seinem Gesicht Ekel spiegelte.
Jetzt war Grumpers Interesse geweckt. Nur mit Mühe unterdrückte er seine wachsende Erregung.
»Die Gassnerin hatte das Kind in ein dreckiges Leinen gewickelt und trug es unter ihrem Arm, als sei es Unrat oder das Fressen für die Schweine. Dabei lebte das Kind noch. So wahr mir Gott helfe, es hat noch geatmet, und die Augen waren geöffnet. Sie aber behauptete, dass es sich bei dem blutverschmierten Kind nur um die Überreste einer Geburt handle.
Sie hat etwas von Häuten und einer Nabelschnur gemurmelt. Aber beim Allmächtigen, das Leinen enthielt ein Kind!«
Grumper nickte, doch er verzog keine Miene. Die anschließende Stille brachte Schwarzenberger fast um den Verstand.
»Nur eine Barbarin entreißt ein Neugeborenes seiner Mutter«, murmelte Grumper, um dann die Stimme zu einem Donnern zu erheben, »oder eine Hexe!«
Schwarzenberger nickte erleichtert. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Herzukommen war die richtige Entscheidung gewesen.
»Ich hätte der Hexe das Kind auch abgenommen und es der Mutter zurückgebracht oder es in die Obhut der Nonnen gegeben. Ich wollte die Gassnerin einsperren und alles Weitere dem Ammann überlassen!« Schwarzenbergers Stimme überschlug sich beinahe vor Diensteifer.
»Und warum hast du es dann nicht getan?«, fuhr Grumper mit eisiger Stimme dazwischen. Dabei gelang es ihm nicht ganz, seine Anspannung zu verbergen. Seine bleiche Haut wies an einigen
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