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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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gekommen waren, weil hier auf dem Marktplatz mit der dritten Stunde nach dem Mittagsläuten eine Hexenverbrennung stattfinden sollte.«

    »Hexen, so ein Unsinn!«, stieß der Medicus hervor und stellte den Becher mit einem lauten Knall zurück auf den Tisch.
    »Ihr glaubt nicht an das Hexenunwesen?«, fragte Stadler vorsichtig.
    »Nein, mein Menschenverstand weigert sich, an einen derartigen Unsinn zu glauben. Verwünschungen und Flüche wurden von den Menschen schon seit jeher ausgesprochen, Hexen sind mir aber noch nie begegnet.«
    »Seid Ihr denn geblieben, bis, na, bis, also ich meine, bis die Hinrichtung stattfand?«, wollte Friko Hofmeister voller Bestürzung wissen.
    Stadler schüttelte den Kopf.
    »Ein paar der Männer wollten das Schauspiel unbedingt mit ansehen, aber weil die Zeit drängte und wir noch gut anderthalb Tagesmärsche vor uns hatten, brachen wir auf. Nun, und am Tag darauf sind wir in die Fänge der Wegelagerer geraten.«
    »Herr Medicus! Schnell! Hier ist ein Junge aus dem Heiliggeistspital. Er stirbt!«, schrie einer der Helfer aufgeregt, während er mit der Schubkarre durch den Flur rannte.
    Johannes sprang auf und schob den Tisch beiseite. »Assistiert Ihr mir?«
    »Sicher«, antwortete Luzia knapp.
    Behutsam legten sie den Verwundeten auf eine Liege. Der junge Mann krümmte sich vor Schmerz und erbrach sich vor ihre Füße. Während der raschen Untersuchung erkannten sie eine tiefe Wunde im Bereich der Lende. Johannes stellte neben hohem Fieber einen brettharten Bauch fest.
    »Lechner! Das ist einer meiner besten Einkäufer«, rief Hofmeister, der ihnen gefolgt war, bestürzt. »Der Junge wüsste
selbst einem Wüstenbewohner eine Kiste Sand zu verkaufen. Großer Gott, ich bitte Euch, rettet dem Burschen das Leben«, rief er besorgt.
    »Der Medicus wird alles tun, was in seiner Macht steht«, versicherte Luzia und half, dem jungen Mann das Hemd vom Leib zu schneiden.
    »Wir brauchen mehr Licht!«, verlangte von der Wehr.
    Während die Helfer weitere Öllampen heranschleppten, wusste Johannes bereits, dass es sehr schlecht um den jungen Mann bestellt war. Der scharfe Geruch nach Eiter und faulendem Fleisch lag bereits in der Luft. Er drang aus der Wunde, von der der Medicus annahm, dass sie gar nicht so tief sein konnte. »Gebt ihm bitte ein wenig von der Mandragoraessenz«, wies von der Wehr Luzia an. Doch die Flasche mit der schillernden Flüssigkeit war leer.
    »Dann nehmt von der frischen Wurzel. Sie befindet sich in meiner Tasche dort auf dem Tisch.«
    Luzia bereitete nach Johannes’ Anweisung eine Mischung aus Alraunenwurzel und Schlafmohn. Sie war fasziniert von der Wurzel, die dem Aussehen eines Menschen glich.
    »Mandragora oder Alraune. Ein sehr starkes Betäubungsmittel«, erklärte Johannes, als er ihren fragenden Blick bemerkte.
    Sie nickte nur und flößte dem fiebernden Jungen einige Schlucke, mit Wein verdünnt, ein.
    Bald darauf erzählte er wirre Dinge und begann zu weinen, bevor ihn endlich der Schlaf übermannte. Luzia strich ihm sanft das nachtschwarze Haar zurück und beließ ihre Hand über den leicht schräg gestellten Augen, bis sich wenige Augenblicke später auch das Wimmern beruhigt hatte.

    Eine lange silberne Sonde half dem Medicus dabei, die Tiefe der Wunde auszuloten. Mithilfe eines kleinen Messers öffnete er die Bauchdecke auf beiden Seiten der Wunde um einige Zentimeter. »Hier ist das Bauchfell verletzt«, sagte er und deutete in die Tiefe. Mit zwei fingerähnlichen Haken zog er die Wunde auseinander und blickte in die schwarze Bauchhöhle. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, als er ein wenig Wein in die tiefe Wunde goss. Luzia hielt den Atem an, als er sie nah zu sich bat, um auch ihr einen Blick auf die Organe zu ermöglichen. Vor ihr breitete sich das größte Geheimnis der menschlichen Natur aus.
    »Heilige Mutter«, dachte Luzia voller Ehrfurcht.
    »Das ist der Darm«, erklärte von der Wehr und griff mit drei Fingern tief in die Wunde hinein. Mit geübter Hand nahm er ein Stück des glatten Organs heraus. Luzia erinnerte es beinahe an ein Stück Wurst. Glatt und glänzend lag es in den Fingern des Arztes. Aufmerksam zog er weitere Zentimeter Darm heraus. Als Johannes abermals in den Bauch griff, schlug ihnen wieder der durchdringende Geruch nach Eiter entgegen.
    »Hier muss es irgendwo sein«, flüsterte der Medicus mehr zu sich selbst. »Hier! Seht Ihr, wie sich das Gewebe verfärbt hat?«
    Luzia nickte und achtete auf die immer dunkler

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