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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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ihrer annahm. Luzia schenkte den verletzten Männern ein freundliches Nicken und erwiderte ihren Gruß.
    Anselm, der hinter einer Säule stand, beobachtete die Hebamme mit gemischten Gefühlen. Er hatte die junge Frau vom ersten Tag an nicht sonderlich gemocht. Freilich konnte niemand leugnen, dass sie ein Händchen für das Kinderkriegen hatte, doch wer diesem Weib dazu verhalf, stand in den Sternen. Hier im Spital wollte er seine Meinung lieber für sich behalten, denn der Medicus hielt große Stücke auf die junge Frau. Wenn Anselm sie so gehen sah, konnte er sich gut vorstellen, was den Medicus veranlasste, vor der Rothaarigen das
Knie zu beugen. Schnell wandte er den Blick von ihr ab und schlug das Kreuzzeichen.
     
    Johannes fiel ein Stein vom Herzen, als er sah, dass Luzia den Korridor entlangeilte.
    »Luzia!«, begrüßte er sie und ging ihr auf halbem Weg entgegen. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, dass Ihr meiner Bitte gefolgt seid«, sagte er und nahm ihre Hand. »Gott sei Dank geht es Euch gut!«
    Während ihr seine bittersüßen Worte eine zarte Gänsehaut bereiteten, sah ihr Johannes von der Wehr tief in die Augen, hauchte einen sanften Kuss auf ihren Handrücken und begrüßte sie trotz seiner beschmutzten Kleidung mit einem formvollendeten Diener.
    Ein Raunen ging durch die Reihen der Verletzten, als sie gemeinsam an den letzten Strohsäcken vorübergingen.
    Obwohl es wahrlich nicht der geeignete Augenblick war, kam ihm Luzia noch begehrenswerter vor als sonst. Heute trug sie ihr feuriges Haar offen. Nur zwei Silberkämme und ein kleiner Schleier bändigten die seidigen Wellen. Ihre feine Haut leuchtete fast von innen heraus. Das zarte Weiß ihres herzförmigen Gesichts erinnerte den Medicus an Alabaster, wie es vor allem im italienischen Volterra vorkam. Ihre Anmut schien ihm aus einer anderen Welt zu kommen. Luzia ging nicht, sie tanzte ihre Schritte wie eine Elfe, wenn es die denn gab.
    »Ich bin sehr froh, dass Ihr Euch vor der schweren Arbeit nicht fürchtet«, gestand Johannes, nachdem sich Luzia einen raschen Überblick im Spital verschafft hatte. »Wir bewältigen all das nicht mehr allein. Bruder Walko, Bruder Edmund
und Bruder Anselm geben sich alle Mühe, sie verrichten ihre Arbeit tapfer und ohne ein Murren. Dennoch haben wir längst nicht alle untersucht, nicht zu reden von den noch anstehenden Operationen.«
    »Ihr müsst Euch nicht erklären! Ich bin davon überzeugt, Ihr gebt Euer Bestes, genauso, wie Ihr es immer tut, und jetzt sagt mir einfach, wo ich beginnen soll. Ihr kennt meine Fähigkeiten, Amputationen kann ich zwar nicht selbstständig durchführen, aber es gelingt mir, alle Wunden fachgerecht zu reinigen, eine ordentliche Naht zu legen und Verbände aller Art anzubringen.« Und denen beim Sterben zu helfen, für die es keine Rettung mehr gibt, dachte Luzia bitter.
    »Allein Eure Anwesenheit wird alles zum Guten wenden. Danke, dass Ihr gekommen seid.«
    Vom Augenblick, in dem sie das Spital betreten hatte, schien sich etwas verändert zu haben. Von der Wehr hatte das Gefühl, als habe Luzia einen Keim der Hoffnung in die Herzen der verwundeten Männer gepflanzt und die Leiden aller ein wenig gelindert.
     
    In den einzelnen Räumen lagen dicht an dicht Männer unterschiedlichen Alters. Viele stöhnten laut oder flüsterten ein Gebet. In jeder Ecke stand ein Schemel, auf dem sich ein Talglicht befand, das tapfer gegen die stetig zunehmende Dunkelheit ankämpfte. Luzia roch das Dünnbier, welches in Krügen und Bechern neben den Verwundeten wartete, ihren Durst zu löschen. Hier und da sah sie ein paar verwaiste Strohsäcke. Sie hoffte, die Patienten seien zur Behandlung in einem anderen Raum, fürchtete aber, sie seien gestorben.
    Der Medicus hatte sie gebeten, sich zuerst der beiden Huren
aus dem Tross anzunehmen. Sie lagen etwas abseits auf strohgefüllten Säcken und dämmerten vor sich hin. Die Brüder des Antoniterordens hatten ihnen graue Pferdedecken übergelegt, um sie vor den neugierigen Blicken der Männer zu schützen.
    Luzia raffte beherzt ihre Röcke. Ohne sich um die Bitten der Männer auf ihren Lagern zu kümmern, kniete sie sich zwischen die beiden Frauen. Die jüngere der beiden wirkte zart und verletzlich, ihre Augäpfel bewegten sich unter den geschlossenen Lidern in einem wilden Auf und Ab. Die ältere Frau schätzte Luzia auf achtundzwanzig, höchstens dreißig Sommer. Sie wirkte schon ein wenig welk.
    »Das sind Josie und Emma«,

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