Seelenfeuer
hörte sie hinter sich eine Stimme. Ein Mann war näher getreten. Er trug den Arm in einer Schlinge und stützte sich auf einen zurechtgeschnitzten Ast. Er war einer der Kaufmänner, die leichter verletzt waren. Offensichtlich fühlte er sich in der Pflicht, durch die Krankensäle zu gehen und für die Verwundeten zu sprechen.
»Den beiden wurde übel mitgespielt. Die ganze Bande hat sich über die Frauen hergemacht, als wären sie lebloses Fleisch. Ich lag währenddessen eingeklemmt unter einem der großen Planwagen und war nicht imstande, mich zu rühren. Paarweise sind sie über die armen Dinger hergefallen, beim Zehnten empfahl ich ihre Seelen dem Allmächtigen.«
Luzia nickte.
Der blonde Mann im mittleren Alter wurde nicht müde, ihr Einzelheiten der Vergewaltigung zu schildern, doch Luzia hörte ihm nicht wirklich zu. Zwar fand sie den Mann nicht unsympathisch, aber er redete eindeutig zu viel.
Vorsichtig berührte sie den Arm der jüngeren Frau, die der
Kaufmann ihr als Josie vorgestellt hatte. Ihr Unterkleid wies nicht eine heile oder saubere Stelle auf. Ihr Körper befand sich in einer tiefen Erschöpfung, aus der sie, wenn überhaupt, nur sehr viel später wieder erwachen würde. Vielleicht gelang es Luzia gerade deshalb, Josies Gefühle so deutlich wahrzunehmen. »Große Mutter, lass uns nicht allein!«, flüsterte sie mit bangem Herzen.
Sie spürte all die Pein und den Schmerz, welche ihr die Verbrecher zugefügt hatten. Die Wucht der Empfindungen traf Luzia wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Aber der Mann hinter ihr, der einfach nicht aufhören wollte, ihr in allen Einzelheiten von dem Überfall zu berichten, lenkte sie ab.
»Würdet Ihr uns jetzt bitte allein lassen, ich möchte nach Josies Verletzungen sehen«, forderte Luzia den Kaufmann freundlich auf.
»Ich bin übrigens Wilhelm Stadler«, stellte er sich vor. »Ich sehe mich derweilen um, wie es den anderen geht. Irgendwo wird meine Hilfe sicher gebraucht.«
Als Luzia die Decke zurückschlug, drang ihr der kupferartige Geruch von Blut in die Nase. Die Innenseiten von Josies Oberschenkeln schimmerten fast schwarz, flächendeckende Blutergüsse überzogen das Gewebe bis unterhalb der aufgerissenen Knie. Ihre Schamlippen waren blutbeschmiert und dick geschwollen. Sie wiesen zu beiden Seiten tiefe Risse auf, wie es nach einer Geburt manchmal der Fall war.
Bruder Anselm brachte frisches Wasser in einem Ledereimer. Bevor Luzia ihn bemerkte und die Decke über den Unterleib der Frau breiten konnte, hatte er einen Blick darauf geworfen. Als habe er den Teufel leibhaftig vor sich, wendete er sich ab und murmelte einen Psalm.
Luzia tauchte einen Streifen Leinen in das kühle Nass und wusch behutsam das Blut von Josies Unterleib. Die Kerle haben wirklich vor nichts haltgemacht, dachte Luzia, als ihre Finger den zerrissenen Anus berührten. Aus beiden Körperöffnungen rann ein dünnes Rinnsal Blut. Luzia tastete Josies weichen Bauch ab. Oft erlitten die Frauen durch eine brutale Vergewaltigung auch innere Verletzungen. Bei Josie deutete glücklicherweise nichts darauf hin. Deshalb legte sie ihr mit geübten Fingern entlang der aufgeworfenen Schamlippen eine kleine Naht. Anschließend versorgte sie die Wunde mit Calendulasalbe.
Dann wandte sie sich der zweiten Frau zu. Emma ging es nicht besser. Die Männer hatten sie schlimm zugerichtet. Auch sie litt unter den Folgen mehrfacher Vergewaltigungen, zusätzlich hatten ihr die Verbrecher noch in den Bauch getreten, was die Abdrücke der Stiefel eindeutig belegten. Dazu war den Schlächtern nichts Besseres eingefallen, als ihr am Unterleib mit einem Messer tiefe Wunden beizubringen. Luzia schüttelte über die rohe Brutalität der Plünderer den Kopf. Vorsichtig wusch sie Brust und Bauch der Verwundeten und nähte die tiefen Verletzungen, alle anderen bestrich sie mit einer Salbe aus Beinwell und Kamille. Emma hatte viel Blut verloren und Luzia machte sich nicht allzu viel Hoffnung auf ihre Genesung. Nicht seit sie den Todesboten gesehen hatte. Still und achtsam lehnte er schon eine Weile an der geöffneten Tür. Sie beide hatten sich schon erbitterte Kämpfe geliefert, wobei Luzia wusste, dass sie nie als Siegerin hervorgegangen war. Hinterher empfand sie ihr Eingreifen immer als falsch, denn Azrael täuschte sich nie, und seine Ankunft erlöste die Sterbenden oft von den Qualen einer schweren
Krankheit. Schon seit geraumer Zeit hatte sie seine Anwesenheit gespürt. Er wartete geduldig, bis sich die Uhr
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