Seelenfeuer
kamen Luzia leise Zweifel. Bruder Anselms Blick hatte nichts Gutes zu bedeuten.
Das bimmelnde Geräusch einer Glocke kündigte das Eintreffen des Kaplans an. Glocke und Laterne repräsentierten die Anwesenheit Jesu Christi. Ein junger Messdiener trug die kleine Klingel voraus und benutzte sie fleißig. Während Grumper das Symbol des Allmächtigen in jeden Raum trug, drang der schrille Ton der Schelle in Luzias Ohr.
»Gelobt sei Jesus Christus«, schnarrte Grumper und maß den Saal aus frostigen Augen.
»In Ewigkeit. Amen«, flüsterte Luzia. Sie spürte bereits, wie
sein bohrender Blick durch ihr Kleid in ihr Herz drang. Bruder Anselm und Kaplan Grumper tauschten einen langen Blick, ehe ihm der Antoniter etwas ins Ohr flüsterte. Der Kaplan nickte und steuerte mit großen Schritten auf Luzia zu.
»Du solltest jetzt besser nach Hause gehen, ehe du noch mehr Schaden anrichtest«, sagte er kalt. »Wenn ich schon dulden muss, was hier geschieht, so unterbinde ich ganz sicher, dass ein Weib in die innersten Geheimnisse des göttlichen Leibes eingeweiht wird. Es ist eine schwere Sünde, den Menschen in seinem Inneren zu betrachten. Wenn es Gott gefällt, seinen Diener zu sich zu rufen, soll der Mensch nicht eingreifen!«, zischte Grumper mit eisiger Miene.
Luzia wich einen Schritt zurück und geriet ins Wanken. Johannes stützte sie, als sie zu fallen drohte.
»Alles in Ordnung, geht es Euch gut?«
Luzia schluckte und nickte zögernd.
Fragend sah Johannes den Kaplan an. »Jungfer Gassner hat sich als äußerst geschickt und wissend erwiesen. Ohne ihre tatkräftige Unterstützung wäre es uns nicht gelungen, so vielen Männern das Leben zu retten. Nicht zu reden von der Frau, die ohne die Hilfe einer Wehmutter niemals überlebt hätte. Vielleicht solltet Ihr das bedenken, bevor Ihr die Jungfer mit Eurem Auftreten ängstigt.«
»Welche Frau?«, fragte Kaplan Grumper empört.
»Sie gehört zu mir, und wenn Ihr erlaubt, werde ich Euch gerne aufklären«, antwortete Friko Hofmeister. »Josie bietet ihre Dienste normalerweise im Haus am Gerberbach an …« Unter dem unduldsamen Blick Grumpers geriet selbst Hofmeister ins Stocken. Seine Wangen waren von einem Hauch Rot überzogen.
»Die Fernhandelsgesellschaft, deren Vorstand die Herren Salzmann, Zainer und meine Wenigkeit sind, halten es für klug, den Männern auf ihren langen Reisen ein wenig Zerstreuung zu verschaffen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es gefahrloser ist, gesunde Frauen mitzunehmen, bevor sich die jungen Hirsche Gott weiß was in den Freudenhäusern dieser Welt holen. Ihr versteht, was ich meine«, fuhr Friko Hofmeister fort. »Die meisten sind noch unverheiratet und versündigen sich nicht, wenn sie an einsamen Abenden Trost in Josies Armen suchen und …«
»Es genügt«, schnitt ihm Kaplan Grumper das Wort ab, »vollkommen!« Gereizt ging er davon.
Wenig später spendete der Kaplan einem Sterbenden die Krankensalbung. »Wo ist die Frau mit dem roten Haar?«, wollte der Todkranke wissen, während ihm Grumper mit geweihtem Öl ein Kreuz auf die Augenlider zeichnete. Dem kleinen Messdiener, welcher die Laterne als Symbol für die Gegenwart Christi trug, klappte vor Schreck der Mund auf.
»Auf dem Weg zur Hölle, und wenn Ihr Euch nicht eines Besseren besinnt, werdet Ihr sie dort treffen«, zischte Grumper leise und vollzog die Sterbesakramente in aller Eile und ohne jede Liebe.
»Dietrich Klingeisen verlangt nach Euch.«
Luzia, die in der Spitalküche stand und eine irdene Schüssel mit Kamillenaufguss füllte, drehte sich um, doch Bruder Anselm war bereits verschwunden. Sie klemmte sich die Schüssel unter den Arm und eilte den dunklen Korridor entlang in den zweiten Saal auf der rechten Seite. Obwohl der
Raum hoch und weitläufig war, schrumpfte er in diesen Augenblicken auf die Größe eines Strohsacks zusammen. Stunden zuvor hatte sie dem Medicus assistiert, als er dem jungen Klingeisen den Arm nehmen musste. Jetzt lag er im Sterben, und sie konnte nichts mehr für ihn tun. Während Kaplan Grumper mithilfe seines Ministranten etwas abseits einen kleinen Altar errichtete, kniete sich Luzia neben den jungen Mann und strich ihm das schweißnasse Haar aus der Stirn. Blut sickerte aus der Wunde seines Armstumpfes.
»Bitte, lacht mich nicht aus, aber ich fürchte mich, und da dachte ich, Ihr könntet vielleicht ein wenig bei mir bleiben«, flüsterte der kräftig gebaute junge Mann.
Luzia nickte und flößte ihm einen Löffel
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