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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Not gewahr, in der die beiden Neuankömmlinge sich befanden, und den Gesetzeshütern aus eigener bitterer Erfahrung nicht freundlich gesinnt, schlossen sich die Circusleute hinter ihnen zu einem dichten Ring und taten ihr Bestes, den Wachen das Durchkommen zu erschweren. Zwei Zwerge halfen Wulf und Selene über die Seite ins Wasser hinunter, ein Gaukler reichte ihnen den Medizinkasten nach. Eine ungeheuer dicke Frau mit einem Äffchen auf der Schulter schob sich geschickt den Wachen in den Weg, so daß ihnen die Sicht versperrt war.
    Selene und Wulf hingen an die Schiffsseite geklammert im Wasser, und der Medizinkasten schaukelte neben ihnen auf den Wellen.
    Zwei Akrobaten ließen sich, als sie die verzweifelte Lage der beiden Flüchtlinge im Wasser sahen, über die Reling hinunter und schnitten ein kleines rundes Floß los, das dort festgemacht war. Aufklatschend schlug es ins Wasser. Wulf winkte den Akrobaten seinen Dank, dann packte er das Floß und hob Selene und den Medizinkasten hinauf. Einen Augenblick später flog von oben ein leuchtendroter Reiseumhang auf das Floß hinunter. Wulf schwamm hinter das Floß und begann, mit den Beinen zu paddeln, um es vom Schiff wegzustoßen.
    Ohne den Blick von dem armenischen Schiff zu wenden, stieß er das Floß, so schnell er konnte durch das Wasser, bis sie den Schutz des Schilfs erreichten. Dort legte er eine kurze Pause ein. Selene lag still, beide Hände an ihrem verletzten Schenkel. Er breitete den roten Umhang über sie aus, dann begann er wieder zu schwimmen – fort von Babylon.
    Kurz bevor er das Floß um eine Flußbiegung lenkte, sah Wulf noch einmal zurück und konnte erkennen, daß die Leute auf dem Schiff alle nach Norden wiesen. In der Gewißheit, daß sie die Verfolger auf eine falsche Fährte gesetzt hatten, zog er sich auf das Floß und blieb erschöpft liegen. Die Strömung des Flusses trug das Floß weiter nach Südosten.

31
    Erst als die Abenddämmerung kam, wagte es Wulf, das Floß am schilfgeschützten Ufer festzumachen; stromauf- und stromabwärts lagen von Laternen erleuchtete Boote, die für die Nacht vor Anker gegangen waren. Er sammelte Steine und Lehm für eine kleine Feuerstätte, in der er trockene Zweige verbrannte. Im Medizinkasten fand er ein Keramiklämpchen, nicht größer als die Fläche seiner Hand, mit einem Leinendocht und mit Olivenöl gefüllt. Das zündete er ebenfalls an.
    Selene war wach. Sie stöhnte leise. Als Wulf am Nachmittag hatte anhalten wollen, um nach ihrer Verletzung zu sehen, hatte sie es nicht zugelassen; sie meinte, sie sollten nur sehen, daß sie vor Einbruch der Dunkelheit Babylon so weit wie möglich hinter sich ließen. Die Stadt war nun, nach vielstündiger Fahrt auf dem Fluß, fern genug, doch es konnte sein, daß die Flußufer von Soldaten überwacht wurden. Sicherheit boten nur das Schilf und die Nacht.
    Wulf kniete nieder, um Selenes Verletzung zu untersuchen. Der abgebrochene Pfeilschaft, der aus dem weißen Fleisch hervorragte, sah harmlos aus, doch Wulf wußte, daß er schnellstens entfernt werden mußte. Er sah mit Erleichterung, daß das Blut, das aus der Wunde sickerte, von hellem Rot war; ›schwarzes Blut‹ hätte bedeutet, daß der Pfeil vergiftet war. Jetzt mußte Wulf nur entscheiden, wie er zu entfernen war.
    Wäre er in seiner Heimat gewesen, so hätte er die genaue Lage der Pfeilspitze zunächst mit einem Magneten bestimmt, doch in dem Medizinkasten konnte er keinen Magneten finden. Dann hätte er, um die Pfeilspitze rasch herauszuziehen, den Schaft an einen Pferdezügel gebunden und das Pferd so erschreckt, daß es den Kopf zurückgeworfen und so den Pfeil herausgerissen hätte; oder er hätte den Schaft an einen heruntergezogenen Zweig gebunden und diesen dann plötzlich losgelassen. An diesem sumpfigen Flußufer jedoch gab es weder Pferde noch Bäume. Wulf wußte, daß ihm nichts anderes übrigbleiben würde, als den Pfeil mit eigener Hand herauszuziehen.
    Selene öffnete die Augen und sah die Sorge in Wulfs Gesicht. Sie wußte, worüber er sich Gedanken machte. Es gab nur ein Mittel. »Stoß ihn durch«, flüsterte sie. »Hämmere den Schaft durch und zieh ihn auf der anderen Seite heraus. Das ist die einzige Möglichkeit …«
    Wulf legte ihr die Hand auf die Stirn, und bat sie zu schweigen. Er mußte nachdenken. Die Methode, die Selene vorschlug, war mit schrecklichen Gefahren verbunden. Wulf kannte sie genau: Die Pfeilspitze konnte einen Nerv zerreißen, was womöglich zur Lähmung

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