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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mehrere schmale, dunkle, gewundene Gassen ab. Wenn sie das Gassengewirr erreichen konnten und dann rannten, so schnell sie konnten, würde es ihnen vielleicht gelingen, die Wachen abzuschütteln und rechtzeitig auf eines der Schiffe zu kommen, wo ihnen nichts mehr geschehen konnte.
    Während sie sich eilig zwischen den Kranken ihren Weg bahnten, versuchte Selene, sich einzureden, daß ihre Angst vor den Wachen unbegründet war; daß die beiden Männer sie nur aus Neugier beobachtet hatten und den Platz jetzt aus ganz anderem Grund überquerten.
    »Halt!« rief es hinter ihnen.
    Sie drehten sich um.
    »Ihr zwei da! Halt!« riefen die Wachen, und einer zog einen Pfeil aus dem Köcher, den er auf dem Rücken trug.
    »Komm!« zischte Wulf, und gemeinsam tauchten sie in den Schatten der nächsten Straße.
    Zornige Rufe wurden hinter ihnen laut. Sie rannten. Sie hetzten zwischen Buden hindurch, um Brunnen herum, durch alte Torbögen. Hinter sich hörten sie das Klirren genagelter Sandalen, als auch die Wachen in Laufschritt fielen. Menschen sprangen erschrocken zur Seite, als die beiden Beduinen sich durch die Menge drängten. Manche riefen ihnen Beschimpfungen nach, andere feuerten sie lachend an. Kinder und Hühner stoben vor ihnen auseinander; ein Tisch mit Datteln kippte um. Selene verlor ihr Bündel, als sie um eine Ecke jagten; sie wollte zurück, um es aufzuheben, doch Wulf zog sie weiter.
    Sie stolperte über ihr langes Gewand, raffte es kurz entschlossen in die Höhe und rannte mit bloßen Beinen weiter. Wulf rutschte die schwarze Kapuze nach hinten; sein fliegendes helles Haar glänzte in der Sonne. Die Wachen schrien ihnen immer wieder nach, doch sie rannten weiter. Keuchend hetzten sie durch das Straßengewirr, schlugen Haken, kletterten über Mauern, stießen Fässer und Körbe um, den Verfolgern den Weg zu versperren. Doch die Wachen, die die Stadt besser kannten als die zwei Flüchtigen, kamen immer näher.
    Selene folgte Wulf durch eine Tür, und einen Herzschlag später zischte ein Pfeil an ihrem Kopf vorbei und bohrte sich in den hölzernen Türpfosten. Sie rannten durch einen Garten und erschreckten eine Familie. Sie überstiegen eine Mauer, jagten wieder durch einen Garten und dann die nächste gewundene Gasse hinunter. Den Medizinkasten hielt Wulf noch im Arm, doch sein Bündel hatte auch er nun verloren. Die langen Gewänder flatterten ihm um die Beine und behinderten ihn. Einmal stürzte Selene, und er riß sie hoch, ohne im Lauf innezuhalten.
    Ein zweiter Pfeil verfehlte um Haaresbreite Wulfs Schulter; ein dritter sauste knapp an Selenes Schleier vorüber. Als sie endlich den Fluß erreichten, machte Wulf nur lange genug halt, um nach den Circusschiffen Ausschau zu halten, und als er sah, daß das letzte Schiff gerade ablegte, packte er Selene wieder beim Arm und rannte weiter.
    Sie hatten die Planke zum Schiff erreicht, als der Pfeil Selene traf. Sie schrie auf und stürzte, beide Hände auf ihren Schenkel gedrückt. »Hilf mir«, stieß sie verzweifelt hervor. »Überlaß mich ihnen nicht. Ich muß – fort von hier.«
    Wulf knickte den Schaft des Pfeils ab, dann faßte er sie um die Mitte und rannte mit ihr weiter. Die Wachen waren dicht hinter ihnen, als sie das Ende der Planke erreichten. Im allgemeinen Durcheinander der Abfahrt bemerkte zunächst niemand an Bord, was sich da abspielte. Wulf warf den Medizinkasten in seinem Fellsack auf Deck, dann hob er Selene über die Reling. Als er hinter ihr hinaufkletterte, zischte ein Pfeil an seinem Bein vorüber.
    Die Planke löste sich, das Schiff glitt auf den Fluß hinaus.
    »Halt!« schrien die Wachen. »Anhalten! Befehl der kaiserlichen Polizei!«
    Der Kapitän, der die Uniformen und die gezogenen Pfeile sah, gab hastig Befehl, die Taue auszuwerfen, und die Matrosen stürzten herbei, um das Schiff wieder ans Ufer zu ziehen.
    Wulf und Selene, die mitten unter der Menge an Deck standen, sahen mit Entsetzen, wie die Planke wieder angelegt wurde. Schnell riß Wulf sich die schwarzen Gewänder vom Leib und ging daran, bei Selene das gleiche zu tun. Als der Stoff am abgebrochenen Pfeil hängenblieb, der aus ihrem Schenkel ragte, schrie Selene auf. Alle an Deck drehten die Köpfe, starrten mit aufgerissenen Mündern auf den Pfeil. Sie sahen, wie Wulf den Fellsack vom Medizinkasten zog und ihn zusammen mit den schwarzen Gewändern in eine offene Luke warf. Dann hob er Selene auf seine Arme und trug sie auf die dem Fluß zugewandte Seite des Schiffs.
    Der

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