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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zu Werke, als näherte er sich einem Schmetterling auf einer Blüte. Das Ende eines Federkielröhrchens berührte die offene Wunde und glitt hinein. Selene stöhnte auf und wollte strampeln. Wulf hielt ihr Bein fest und schob das zweite Röhrchen in die Wunde, spürte, wie es den im Fleisch liegenden Widerhaken knapp berührte und wie eine Hülle über ihn glitt.
    Er machte eine Pause und fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. Die Nachtluft war kühl, doch Wulf glühte, obwohl er nur einen Lendenschurz trug. Wieder sah er zu Selene hinunter. Ihre Augen waren wieder geschlossen. Ihr Gesicht war bleich und feucht. Sie zitterte unter dem roten Umhang, obwohl nur ihr verletzter Schenkel der Nachtluft ausgesetzt war.
    Er musterte die drei Schäfte, die aus dem weißen Schenkel herausragten. Wenn er entschlossen zupackte, wenn die Kielröhrchen gut saßen und wenn seine Hand beim Herausziehen ruhig blieb, würde Selene nur kurzen Schmerz aushalten müssen und keine weitere Verletzung erleiden.
    Behutsam legte Wulf beide Hände auf die kalte Haut. Nachdem er ein paarmal tief Atem geholt hatte, hielt er die beiden Kielröhrchen mit der Linken fest und umfaßte den Pfeilschaft mit den Fingern der Rechten.
    Selenes Kopf fiel nach rückwärts, und der Verband fiel aus ihrem Mund.
    Mit einem schnellen Ruck riß Wulf den Pfeil heraus. Selene schrie. Er drückte ihr blitzschnell die Hand auf den Mund und nahm sie in die Arme. Wimmernd lag sie an seiner Brust. Während er sie wiegte und streichelte und ihr immer wieder versicherte, daß alles vorbei wäre, lauschte er in die Nacht und spähte forschend in die Dunkelheit.
     
    Am Flußufer wuchs frisches grünes Gras. Wulf pflückte eine Handvoll, zerdrückte es und breitete es über die Wunde, ehe er einen strammen Verband anlegte. Er wußte aus Erfahrung, daß frisches Grün Fäulnis verhinderte. Dann tauchte er den Zipfel eines Tuchs in den Fluß und drückte das Wasser über Selenes Lippen aus. Sie hatte das Bewußtsein verloren, nachdem er den Pfeil herausgezogen hatte, und lag jetzt in tiefem Schlaf.
    Es war ihm gelungen, die Pfeilspitze glatt und sauber aus dem Fleisch zu ziehen, die Wunde hatte kaum geblutet, aber es konnte immer noch Komplikationen geben, das wußte Wulf. Gerade bei Pfeilverletzungen, die sehr tief waren, kam es häufig zu Entzündungen. Fieber konnte folgen, tödliches Fieber manchmal, und der gefürchtete schwarze Brand konnte auftreten, gegen den es kein Mittel als die Amputation gab. Lange saß Wulf deshalb wach, berührte immer wieder Selenes Stirn, beobachtete ihren Atem, untersuchte den Verband, bis er, als der Mond schon wieder im Sinken war, sich endlich neben ihr ausstreckte und sie an sich zog, so daß sie in der Wärme seiner Umarmung schlafen konnte.
     
    Als Wulf wenig später wieder erwachte, dämmerte es noch nicht einmal. Seine Glieder schmerzten vor Verkrampfung. Er fühlte Selene in seinen Armen und tastete vorsichtig nach ihrem Schenkel. Erleichtert stellte er fest, daß der Verband trocken war. Selene schlief fest. Ihre Atemzüge waren regelmäßig, aber ihre Haut war unnatürlich klamm, als hielte schon der Tod sie in seiner kalten Umarmung. Von neuer Furcht gepackt, rieb Wulf heftig ihre Arme und versuchte, sie mit seinem Atem zu wärmen. Sie rührte sich nicht. Sie schlief tiefer, als er vermutet hatte – zu tief. Es machte ihm angst.
    Hatte er ihr zuviel Opium gegeben? Hatte er ihr in seiner Sorge und Unerfahrenheit eine tödliche Dosis eingeflößt? Sie mit eigener Hand getötet?
    Du darfst nicht sterben, schrie er lautlos, während er sie in seine Arme nahm und wiegte. Jetzt, wo wir es so weit geschafft haben, darf uns doch der Tod nicht trennen! Seine Tränen tropften auf ihr weißes, stilles Gesicht. Geh nicht fort, rief er ihrer entfliehenden Seele nach. Laß mich nicht allein.
    In höchster Verzweiflung beugte Wulf sich über sie und drückte seinen Mund auf den ihren. Ihre Lippen waren kalt, aber sie atmete noch.
    Odin, flehte Wulf stumm. Isis, helft uns …
    Wulf hob das tränennasse Gesicht in den kühlen Morgenwind, und da sah er am heller werdenden Horizont über dem leise wogenden Schilf den Morgenstern. Er nahm es als ein Zeichen der Hoffnung.

Fünftes Buch
Persien
    32
    »Bei allen Göttern!« riefen die Hebammen und wichen mit erhobenen Händen vom königlichen Bett zurück. »Seht doch, ihre Gebärmutter ist mit dem Kind herausgekommen. Seht, das Kind ist noch darin.«
    Doktor Chandra stand in der

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