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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Rani endlich den Blick ab. Miko zog einen Vorhang über das umrankte Gitter und sagte: »Warum siehst du es dir immer an? Es bringt dir nur Schmerz und Traurigkeit und dennoch siehst du immer zu.«
    »Es macht mir auch ein wenig Freude«, entgegnete Rani, doch es klang nicht sehr überzeugend, »zu sehen, daß andere genießen, was ich niemals haben kann.«
    Miko warf ihrer Herrin einen sprechenden Blick zu. Rani wußte, was sie dachte.
    Doch, es muß sein, hielt Rani im stillen dagegen. Ich tue es für Dr.Chandra.
    Als das Gelächter des jungen Paares schließlich verstummte, neigte Rani den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel hinauf. Sie dachte daran, was die beiden jungen Leute da draußen trieben; etwas, das sie nie erfahren hatte und niemals erfahren würde. Leise Wehmut überkam sie.
    Die Liebe, dachte sie. Fast jedem war es vergönnt, sie irgendwann einmal zu genießen. Sogar die alte Miko hatte einst einen Ehemann gehabt.
    Aber ich habe meinen Entschluß vor langer Zeit gefaßt, dachte Rani. Und ich werde an ihm festhalten. Ich werde weiterhin den Preis bezahlen.
    Sie dachte wieder an die geheimnisvolle Prophezeiung, die der Astrologe am Morgen des vergangenen Tages ausgesprochen hatte. Dr.Chandras Leben in diesen Mauern wird bald vorüber sein, hatte Nimrod zur Überraschung aller erklärt. Nachdem der Arzt dreißig Jahre lang im Palast tätig gewesen war, hatte niemand geglaubt, daß er jemals fortgehen würde. Und der Grund seines Scheidens, hatte der Astrologe hinzugefügt, wird ein vieräugiger Mensch sein.
    Rani schloß die Augen. Auf ihrer Terrasse war es still und friedlich. In diesen entfernten Winkel des Lustpalasts hoch in den persischen Bergen drangen weder Musik noch Gelächter, die alle anderen Räume bei Tag und Nacht durchzogen. Rani hatte sich diese Abgeschiedenheit selbst ausgesucht; sie wollte einerseits nicht an ihr eigenes Unglück erinnert werden, andererseits die anderen nicht in ihrer Unbeschwertheit stören. Sie wußte, daß man sie die Bedauernswerte nannte. Vor fast dreißig Jahren hatte man ihr flüsternd diesen Namen gegeben, als alle Ärzte im Palast hatten bekennen müssen, daß sie sie nicht heilen konnten.
    So einsam dieses Leben war, das sie nur mit ihren wenigen Sklaven und ihren Haustieren teilte, Rani zog es einem Leben unter gesunden, normalen Menschen vor. Hier war sie sicher; hier waren ihre Geheimnisse gut aufgehoben.
    So war es jedenfalls bis jetzt gewesen. Bis zu der bestürzenden und verwirrenden Ankündigung des Astrologen, daß Dr.Chandra bald den Palast verlassen würde.
    Kann es wahr sein? fragte sich Rani mit klopfendem Herzen. Nach so langer Zeit; nach dreißig Jahren – nachdem Dr.Chandra an meinem achtzehnten Geburtstag plötzlich hier erschien, soll er nun gehen?
    Was wird dann aus mir werden?
    Rani, eine Frau von ruhigem Wesen und sanftem Gemüt, die, von der Hüfte abwärts gelähmt ein grausam eingeschränktes Leben führte, verspürte zum erstenmal seit Jahren Furcht.
     
    Auch Nimrod hoch oben in seinem Turm dachte voll Sorge an Dr.Chandra. Die Sterne kündeten die Zukunft und logen nie, aber sie verrieten nicht immer alle Tatsachen. Nimrod schlug zornig auf seinen Arbeitstisch, daß Karten und Instrumente in die Höhe sprangen. Wann und wie würde Dr.Chandra den Palast in den Bergen verlassen? Und wer war dieser vieräugige Mensch, der nach Voraussage der Sterne hier erscheinen würde?
    Er warf seine Feder aus der Hand und beugte sich mit gerunzelter Stirn noch einmal über seine Karten.
    So war also der Tag endlich gekommen? Der Tag, an dem er seinen Turm verlassen mußte. Er wußte, daß er hier oben keine weiteren Antworten finden würde; die Sterne hatten ihm alles offenbart, was sie zu offenbaren bereit waren. Die Antworten auf seine anderen Fragen mußte er an anderem Ort finden. Draußen, außerhalb seines Turms, den Nimrod, wie die Prinzessin ihre Räume, seit vielen Jahren nicht verlassen hatte.
    Er brauchte ein Lamm. Ein gesundes Lamm im richtigen Alter und von der richtigen Färbung. Er konnte sich nicht darauf verlassen, daß irgend jemand aus dem Palast ihm das richtige Tier bringen würde. Nein, diese Angelegenheit war zu wichtig. Nimrod würde sich selbst auf die Suche begeben müssen. Und es dann untersuchen und aus seiner Leber Dr.Chandras Zukunft lesen müssen.

35
    Die Strahlen der untergehenden Sonne im Auge brachen sie auf und folgten einer alten Königsstraße, die Hunderte von Jahren früher von Cyrus, dem ersten König der

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