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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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stets unter ihrem Kleid trug. Sie war bereit, auch die Kette zu verkaufen, aber nur in höchster Not.
    Bislang war es Wulf gelungen, einige gute Geschäfte zu machen, zuerst bei den Sumpfbewohnern an der Mündung des Euphrat: Er hatte für sie gearbeitet, dafür hatten sie Selene während ihrer Rekonvaleszenz gepflegt. Später, als sie schon an einer Krücke herumhumpeln konnte und Wulf zum Aufbruch gedrängt hatte, da sie immer noch Verfolgung durch die babylonischen Soldaten fürchtete, hatte Wulf einem Schiffskapitän, der wie alle Seeleute an Zahnfleischbluten und Zahnausfall litt, eine Mundsalbe verkauft, und der Kapitän hatte sie dafür auf seinem Schiff nach Persien mitgenommen. Und hier, in dieser Hafenstadt an der Westküste Persiens, war es Wulf gelungen, Nahrung und Unterkunft einzuhandeln, und nun war er unterwegs, einen Führer nach Persepolis zu finden, die Stadt in den Bergen, wo sie, wie der Schiffskapitän ihnen versichert hatte, eine sichere Straße zurück in ihre Heimat finden würden. Selene hob ihr Gesicht der heißen Sonne entgegen. Eine Sonne, dachte sie, die auf Länder und Menschen herunterschien, die ihr so fremd waren, als kämen sie von einem anderen Stern. Welch eine Ironie des Schicksals, daß sie trotz aller verzweifelten Bemühungen, nach Westen zu gelangen, immer wieder nach Osten getrieben wurde. Vor vier Monaten waren sie aus Babylon geflohen und hatten sich von der Strömung des Euphrat nach Südosten tragen lassen bis zum Persischen Golf. Von dort aus hatten sie nach Persien übergesetzt. Und nun mußten sie wiederum nach Osten.
    »Persepolis ist eine großartige und mächtige Stadt«, hatte der Schiffskapitän berichtet. »Es heißt, daß es nichts gibt, was man dort nicht erhalten kann. In Persepolis werdet ihr Geld verdienen können und einen sicheren Weg in eure Heimat finden.«
    Darum wollten sie nun nach Persepolis, nach Nordosten in die rauhen Berge dieses fremden Landes der Perser. Und die Entfernung zu Antiochien würde noch größer werden.
    Selene ließ sich von der Sommerhitze einlullen und hing ihren Gedanken nach. Der Schiffskapitän war über die wohltuende Wirkung der Mundsalbe so glücklich gewesen, daß er ihnen zum Dank jede ihm mögliche Hilfe anbot. Da hatte Selene das letzte Stück Papyrus in ihrem Medizinkasten benutzt, um Andreas einen Brief zu schreiben. Der Kapitän hatte versprochen, ihn auf der Rückreise zum Euphrat einem Schiffer oder Karawanenführer zu übergeben, dessen Ziel Antiochien war. Die Chance, daß der Brief Andreas wirklich erreichen würde, war gering, aber Selene setzte dennoch ihre Hoffnung in ihn.
    Andreas darf mich nicht vergessen. Ich muß ihn wissen lassen, daß ich am Leben bin. Damit er auf mich wartet.
    Als Selene die Tür hörte, drehte sie sich um. Wulf war ins Zimmer gekommen. Wieder schoß ihr die Frage durch den Kopf, ob er es gewesen war, der sie von der Schwelle des Todes zurückgerissen hatte; ob es seine Stimme gewesen war, deren Ruf sie vernommen hatte.
    Sie war so nahe daran gewesen, aus diesem Leben zu scheiden – einen Atemzug, einen Herzschlag entfernt nur vom Übergang in eine andere Welt –, doch eine fremde Macht hatte sie zurückgeholt, und die schmerzhafte, stürmische Umkehr war von eindringlichen Visionen begleitet gewesen.
    In diesen Visionen hatte sie endlich ganz klar den Sinn ihres Lebens erkannt.
    Jetzt verstehe ich alles, dachte sie, als sie aufstand, um Wulf zu begrüßen. Ich weiß jetzt, daß es nicht Zufall, sondern Bestimmung ist, daß ich nach Persien gelangt bin.
    Seit vier Jahren schwebte Selene vor, eine Heilkunde zu schaffen, die die Lehren ihrer Mutter mit den Lehren Andreas’ vereinigte. Doch in ihren Fieberträumen auf dem Fluß war Selene eine viel umfassendere Vision gezeigt worden, die sie erstaunt und erregt hatte. So viel mehr gab es noch zu lernen; die Welt war so groß und von solcher Vielfalt. Plötzlich begriff Selene den Sinn ihres Exils; plötzlich verstand sie, daß sie dazu bestimmt war, aus allen Ecken der Erde alles Wissen und alle Kundigkeit anderer in sich zu sammeln, um diesen Schatz dann mit der Welt teilen zu können.
    Selene war auf dem Fluß erwacht und hatte gesehen, in welche Richtung der Strom sie trug – immer noch ostwärts – und hatte gewußt, daß es kein Zufall war. Sie hatte erkannt, daß die Götter ihre Pfade lenkten.
    Es ist die Vorbereitung auf das große Werk, das mich erwartet. Bei meiner Wiedervereinigung mit Andreas werde ich reich sein an

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