Seelenfinder
Gebundenheit fühlen. Es ist, als ob man in das sich auflöst, aus dem alles hervor geht. Nennen Sie dies nun Natur oder Gott. Jedenfalls ist die Empfindung davon das, was wir Sapas als Religion ansehen. Sie ist das Gefühl dessen, was wir noch nicht wissen. Die Ahnung davon, dass es noch etwas Höheres gibt, als das, was wir bis heute als letzte wissenschaftliche Ursache des Seins erkannt haben. Und da wir den alle r letzten Grund niemals begreifen werden, so wird es auch für den umfa s sendsten Geist ewig Religion geben.
Religion der höchsten Geister ist das Bewusstsein von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit allen Seins im Gegensatz zu der Annahme der ird i schen Materialisten, die den Zufall auf Gottes Thron setzen.“
„Nein. Nicht den Zufall, sondern die Naturgesetze“, erwiderte Dornbusch heftig.
„Sobald Sie von Naturgesetzen reden, kommen Sie auf einen persönlichen Gott hinaus. Denn Gesetze sind Gedanken und Anordnungen eines vernün f tigen Wesens, aber niemals die Folge eines zufälligen Zusammentreffens von Elementen, dessen Existenz doch auch wieder den Gedanken als letzte erkennbare Stufe ihren Ursprung hat."
Dornbusch hatte zwar nicht alles verstanden , was der blonde Mann vorg e tragen hatte. Die Worte schienen jedoch Eindruck auf ihn gemacht zu h a ben. Er sagte zögernd: „Ich muss gestehen, dass auch ich Ähnliches schon empfunden habe, obgleich ich mich zum Materialismus in seiner extremsten Richtung bekenne. Ich habe die Religion immer als etwas Widersinniges und völlig Unnötiges, ja den Fortschritt Hinderndes angesehen."
„Wie konnten Sie das? Mögen viele unnütze Dinge besonders der kirchl i chen Religion anhängen, ihr Fundament ruht auf der Wahrheit. Denn sehen Sie, Lügen und Irrtümer vermögen nicht Millionen und Abermillionen W e sen Jahrtausende lang in ihren Bann schlagen. Jeder Mensch hat diejenige Religion, bis zu welcher seine Fähigkeit, seine geistige Auffassungskraft ihn emporhebt. Wobei der Einfluss des Klimas und der sonstigen Existenzb e dingungen auf die Art der Religion unverkennbar ist. Noch heute gibt es viele Völkerstämme, zum Beispiel in der Dritten Welt, die sich die Urs a chen von Gewitter, Blitz und Donner nicht erklären können. Ebenso Me n schen in den kälteren Gegenden. Sie fürchten die raue Jahreszeit, die langen Winternächte. Sie beten zu Gott, dass er den Schneesturm vertreibe. Oder in den heißen Gegenden, dass er Regen bringen möge.
Aber sehen Sie, jetzt kommt der andere Gelehrte. Er zeigt jetzt ..." Quoll begann zu lachen.
„Warum lachen Sie?“
Dornbusch drehte sich jetzt ebenfalls um. Er sah zu dem Gelehrten, der Bilder eines weiblichen Körpers vorstellte. Die Bilder wechselten aber zu rasch, sodass Dornbusch nicht erkennen konnte, um was es genau ging.
„Die Rache der Natur. Ich will Ihnen in wenigen Worten erklären, um was es sich handelt. Einige hochgebildete Rusas hatten sich mit ihren Frauen auf einer großen abgeschlossenen Insel niedergelassen, um ohne fremde Einm i schung sich zu einer höheren Kultur zu entwickeln. Dabei geschah es, dass sich die Männer nicht der verfeinerten Sinnlichkeit ihrer klugen Frauen a n zupassen wussten. Sie wurden homosexuell. Die Geburtenzahl ging auf ein Minimum zurück. Da half sich die Natur durch einen meisterhaften Zug. Die Frauen wurden ein geschlechtlich , in ihnen entwickelten sich nach he f tigem Verlangen Embryos ohne vorhergegangene Befruchtung. Sie gebaren Kinder, aber nur Mädchen.“
Dornbusch lachte laut. „Hübsches Märchen. Also, ich muss schon sagen, junger Mann , Sie erzählen ganz schönen Unsinn.“
„Es ist kein Unsinn“, entgegnete Quoll o mit einem milden Lächeln. „Die Homosexuellen starben nach und nach aus. Und später traten dann auch wieder Knabengeburten auf.“
Dornbusch sah den blonden Mann verständnislos an. Doch dieser redete weiter : „ Jede winzige Zelle, ob sie allein lebt oder zum großen gemeins a men Zellenstaat eines lebenden Körpers gehört, ist fähig zu denken. So g e ring der Umfang dieses seelischen Denkvermögens auch sein mag, es übe r legt und handelt zweckmäßig. Jede Zelle in irgendeinem Knochen oder Weichteil hat im Laufe der Jahrtausende erkannt, wie sie sich zum Nutzen des Ganzen zu gestalten hat und welcher Stoffe sie zur Bildung ihrer beso n deren Art bedarf. Betrachten wir nur die Hautzellen. An den Fingerspitzen bilden sie sehr empfindliche Stellen. Auf dem Rücken der Finger hornartige empfindungslose Nägel.
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