Seelenfinder
Vergrößerung zu sehen waren.
„Was sind das für Leute? “, fragte Dornbusch.
„Das sind Erme, und der dort steht, ist einer der führenden Leute der hies i gen Universität. Er will die Anwesenden davon überzeugen, dass es keine Seele gibt. Er will den Nachweis führen, dass bei der Ausbrütung eines Eis, das auf rein mechanischem Wege mit Hilfe von Wärme erfolgt, ein Vogel entsteht , da bei sei aber von einer Seele nichts bemerkbar.“
„Was sagt der Mann?“
„Er sagt, dass genau nach den Gesetzen der Entwicklung sich erst das eine Organ, dann das andere bildet. Es wiederholt sich die Entstehung des ga n zen Geschlechts mit allen seinen Durchgangsstufen in der einst durchlebten Reihenfolge bei dem einzelnen Vogel. Wenn der Vogel die Schale des Eis durchbricht, blickt er neugierig in die Welt und sucht sofort nach Futter. Wo soll da die Seele sein? Die Erme bemühen sich, einer viel höheren Rasse glaubhaft zu machen, was sie nach ihrer eigenen weit tiefer reichenden E r kenntnis niemals glauben kann.“
„Werden denn die Unterschiede zwischen Erme, Sapa und Rusas nicht e r kannt und gewürdigt? “, fragte Dornbusch erstaunt.
„Von den Gebildeten allerdings, aber nur in politischer Hinsicht. Der höh e re Geist regiert, ohne zu herrschen. So kommt es, dass die zahlreichen Me n schen die Verwaltung ihrer örtlichen öffentlichen Angelegenheiten meistens den Sapas anvertrauen, die aber im Vergleich zu den zwanzig Milliarden Saparuswesen nur wenige sind. Die meisten sind Rusas und Ermes. Wir Sapas sind nur zehntausend. Wir stehen überall an der Spitze und bilden die Leiter und Lenker, denn der Saparus ist nach seiner natürlichen Beschaffe n heit in Zonen und nach seiner Bevölkerung in Staaten eingeteilt. Politik, Wissenschaft und Kunst leiten Führer, die zu diesen Ämtern ohne ihr Zutun berufen werden und die nach Gutdünken annehmen oder ablehnen."
„Und was ist mit Religion? Gibt es keine Kirche auf dem Saparus?"
„Nein. Wie sollte das denn möglich sein? Niemand hat bei uns eine Rel i gion. Weder die Sapas noch die Rusas oder Ermes. Aber auch die Sapas, die wirklich in die geheimnisvollsten Abgründe des Wissens eingedrungen sind, bleibt ein Rest, ein unerforschliches Etwas, dass er nicht zu erfassen ve r mag. Wir können hier ebenso wenig wie Sie auf Erden, trotz des weitesten Vordringens eine Grenze des Raumes finden. Von der Entfernung des nächsten Weltensystems betrachtet, bleibt unser Saparus mit all seinen Ozeanen, seinen Gebirgen und weiten Ländern, mit den dicht bevölkerten Staatengebilden ein winziger Punkt. Völlig bedeutungslos für das Ganze, und wie es scheint, von einer zweck- und ziellosen Existenz. Und die Zeit? Was sind Millionen Jahre im Leben des Alls?
Doch was bedeutet diese Spanne Zeit für die Saparusbewohner? Eine Ewi g keit! In diesem Zeitraum sind viele Einzelwesen gekommen und gegangen und ihre Werke, mächtige Staatengebilde, Kunstwerke aus Stein und Ma r mor, die unvergänglich scheinen. Sie verschwinden mit den Kontinenten, auf denen sie errichtet sind. Aus dem Gesichtswinkel einer solchen Spanne Zeit betrachtet, die uns eine Ewigkeit dünkt und doch nur ein Moment im Dasein des Alls ist, sind unsere Werke ein Nichts. Das Getriebe und Geza n ke, wie es auf der Erde herrscht, das Würgen und Morden, das Kämpfen um Macht und Einfluss bringt uns zum Lächeln, denn hier kennen wir das nicht. Und trotzdem werden unsere Einrichtungen, unsere Schöpfungen, so vol l kommen sie auch sein mögen, von jenen verlacht, die imstande sind, einen Zeitraum von Millionen Jahren so zu überschauen, wie wir einen Auge n blick. Für Zeit und Raum gibt es keine Grenze für alle Geschöpfe, die auch in Bezug auf die Körperlichkeit der Dinge nicht an das Ende gelangen kö n nen. Die Größe des Alls ist durch kein Teleskop, keine Gedankenreise zu ermessen. Blickt man aber in sein Inneres, sucht man in den tiefsten Tiefen der Seele nach dem Ursprung des Lebens, so muss man, ohne an die Grenze zu gelangen, mit seinen Gedanken plötzlich haltmachen . Es ist, als wäre das Innerste ICH von einem Wall umgeben, den man nicht zu überklettern ve r mag. Jenseits dieser Mauern ist der Ursprung. Da wohnt das, aus dem alles fließt und sprießt. Da ist die Quelle des Wesens, welche natürlich ihre Kraft aus dem Urquell alles Leben bezieht. Richtet man aber die Ideen außer sich etwa senkrecht nach oben, so wird man sich bei heftigen Suchen nach dem Urwesen plötzlich frei aller
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