Seelenflüstern (German Edition)
Hand. Das letete bisschen Kälte, das mir noch in den Knochen gesessen hatte, verflog.
»Ja. Tausend Mal besser. Während ich auf dich gewartet habe, war das Gruselkind wieder da und hat genervt.«
Lächelnd stellte Alden den Topf ins Spülbecken. »Ach so ist das. Und ich dachte schon, du hättest Stress mit deinem Freund.«
»Nein. Alles gut. Richtig gut sogar.«
Aldens Lächeln fiel in sich zusammen. »Freut mich für dich.«
Ich nahm einen Schluck Schokolade. Sie war stark und schmeckte fantastisch. Alden hatte nicht zu viel versprochen: Im Vergleich dazu war das Zeugs aus Fertigpulver, das Mom und ich zu Hause anrührten, wirklich scheußlich. »Gehört die Prinzessinnenhaarbürste im Badezimmer dir?«
Alden lachte. »Nein. Die gehört Elizabeth – meiner Schwester. Sie ist vier.« Er ging ins angrenzende Wohnzimmer; dort ließ er sich aufs Sofa fallen.
Ich folgte ihm und setzte mich in einen Polstersessel. »Und wo ist sie jetzt gerade?«
Alden stellte seine Tasse auf den Couchtisch. »Im Vorschulkindergarten.«
Das riesige Wohnzimmer sah aus wie aus einer Designer-Wohnzeitschrift. An den bodentiefen Fenstern hingen lange, luftige Vorhänge mit Blumenmustern. Sie flossen in Wellen noch ein ganzes Stück über den Boden. Geld schien hier keine Rolle zu spielen. »Das Haus ist ein Traum. Was machen denn deine Eltern?«, fragte ich.
»Sie sind Ärzte. Mom arbeitet auf einer Krebsstation; sie ist Onkologin. Dad ist Chirurg.« Er legte die Füße auf den Couchtisch. »Diesmal habe ich bei der Elternlotterie den Hauptgewinn gezogen.« Spook sprang auf seinen Schoß. »Ich hoffe, es ist okay, dass ich dich hierher gebracht habe und nicht zu dir nach Hause. Wenn der Regen irgendwann nachlässt, fahre ich dich heim.«
»Kein Problem. Schon in Ordnung.«
Alden kraulte die Hündin hinter den Ohren. Sie stieß ein paar leise Grunzlaute aus.
»Spook. Komischer Name für einen Hund.«
»Ja. Sie erspürt gestrandete Seelen. Wenn Geister in der Nähe sind, rastet sie völlig aus. Ich habe sie von der Schule mitgebracht.«
Weil Alden die Füße auf den Couchtisch gelegt hatte, traute ich mich auch, es zu tun. »Und was für eine Schule ist das?«
»Die Wilkingham Militärakademie. Aber das ist nur ein Deckname für ein Ausbildungszentrum des Rats der Fürsprecher.« Spook stieg von seinem Schoß aufs Sofa, stakste ein paarmal im Kreis, ließ sich dann auf dem Polster nieder und legte den Kopf auf seinen Oberschenkel. »Als ich vierzehn war, kam ein Brief, in dem stand, ich hätte ein Stipendium für die Schule. Und meine Eltern haben mich gehen lassen. Die Broschüre war wirklich gut gemacht und hat sie überzeugt. Ich wusste natürlich, was dahintersteckte, weil ich damals schon eine Zeit lang Erinnerungen aus meinen früheren Leben hatte.«
Nach dem letzten Schluck Schokolade stellte ich die leere Tasse auf den Couchtisch. »Wenn ich also normal wäre … oder vielmehr so abnormal, wie ich es eigentlich sein sollte – hätte ich dann auch schon seit Jahren Erinnerungen an vergangene Leben?«
Er nickte. »Aber leider ist das nicht der Fall. Manchmal macht mich das ganz verrückt.«
»Nicht bloß dich.« Spook knurrte leise, als Alden aufstand und unsere Tassen vom Tisch nahm.
Ich folgte ihm in die Küche. »Gehen Seelenflüsterer auch in eine besondere Schule?«
»Nein. Sie gehen in ihren ersten paar Zyklen bei einem erfahrenen Mentor in die Lehre. Ihre Aufgabe verändert sich von Generation zu Generation kaum. Neuerungen sind in diesem Job nicht so wichtig wie in meinem.« Alden ließ Wasser über die Tassen laufen.
Ich lehnte mich neben ihm an die Granitarbeitsplatte. »Was denn für Neuerungen?«
»Medizinische Fortschritte zum Beispiel. Bevor wir Antibiotika und Desinfektionsmittel hatten, war alles ganz anders. Die Erinnerungen aus früheren Leben helfen mir deshalb oft nicht weiter. Also muss ich in der Schule alles über die Errungenschaften der Zeit lernen, in der ich gerade lebe. Auch Gesetze ändern sich ständig. Heute kann ich nicht mehr einfach mit einem Schwert am Gürtel herumrennen. Schade eigentlich.« Er zwinkerte mir zu. Dann griff er zum Spülschwamm.
»Gehst du bald wieder ins Ausbildungszentrum zurück?«
Alden machte sich über die Tassen und den Topf her. »Nein. Ich wurde zum Dienstantritt entlassen. Meine Eltern glauben, ich sei so begabt, dass die Schule mir genehmigt hat, in einer Art Fernstudium zu Hause am Computer zu lernen.« Er stapelte das Geschirr zum Abtropfen in
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