Seelenflüstern (German Edition)
dir nichts anderes sagen kann, Lilian.«
Ich tauchte die Finger ins kühle Brunnenwasser. Zu wissen, dass Dad Frieden hatte, tröstete mich ein bisschen.
Alden sah mich an. »Alles klar?«
Ich nickte.
»Wenn es irgendwie geht, sollten wir uns jetzt wirklich an die Arbeit machen.«
»Okay.« Ich hoffte, dass mein Herz irgendwann wieder im Normaltempo schlagen würde. Die Art, wie Alden mich anschaute, machte mich nervös. Es war, als könnte er in mich hineinsehen. »Soll ich eine gestrandete Seele herrufen?«
»Wenn du so weit bist, wäre das ein guter Anfang. Aber es geht nicht darum, was ich will, sondern was du willst.«
Ich verdrehte die Augen. Dass wir nicht gleichberechtigt waren, passte mir nicht. Ich wollte einen Freund, keinen Knecht.
»Lass doch diesen Diener-Mist, Alden. Kannst du nicht einfach mein Freund sein?«
»Ich kann alles sein, was du möchtest. Welche Rolle ich für dich spiele, bestimmst du. Und jetzt an die Arbeit.«
»Alden, ich will, dass du mein Freund bist. Ich brauche einen. Dringend.«
Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. »In Ordnung. Wir sind Freunde. Die erste Erlösung machen wir im Wohnzimmer.«
»Okay.« Wenigstens tat er nun nicht mehr so, als wäre er mein persönlicher Fußabtreter.
Alden ließ Spook draußen, damit sie die gestrandete Seele nicht anbellte oder anknurrte.
Wir setzten uns aufs Sofa.
»Okay, Lilian. Konzentrier dich ganz auf eine Stimme. Such dir die hartnäckigste von allen aus. Wenn der Unruhestifter erst weg ist, sind die anderen meist nicht mehrso nervös. Solange du dich um ihre Anliegen kümmerst, müssten die Gestrandeten eigentlich friedlich bleiben. Sag Bescheid, wenn du mich brauchst. Was in deinem Körper vorgeht, kann ich nämlich nicht hören. Ich spüre zwar deine Angst, darf aber nicht uneingeladen in die Hülle hinein. Und denk daran, mich unbedingt hereinzubitten, wenn es für die andere Seele Zeit wird zu gehen. Wenn ich in dir bin, löst sie sich leichter. Für drei Seelen ist in der Hülle nämlich kein Platz. Die schwächste wird hinausgedrängt. Bei Aggrots sieht das wieder ganz anders aus, aber wegen denen brauchst du dir im Moment keine Sorgen zu machen. Such dir für den Anfang einen einfachen Fall aus«, riet Alden mir. »Nimm eine Seele, die dir genau erklären kann, was ihr fehlt.«
Ich kauerte mich zusammen und schlang die Arme um die Knie. Alden sollte nicht merken, wie groß meine Angst war. Er sollte denken, ich sei mutig und stark. Ich wollte ihn beeindrucken – so wie Rose.
V I E R Z E H N
M it geschlossenen Augen konzentrierte ich mich darauf, aus dem Stimmengewirr eine bestimmte gestrandete Seele herauszufiltern. Eigentlich war es ganz leicht. Das Gruselkind – ein Mädchen – sagte, sein Name sei Suzanne und fing sofort wieder an zu jammern.
»Okay, ich habe eine.« Ich kicherte nervös.
Alden grinste. »Was ist daran so lustig?«
»Klingt, als hätte ich einen fetten Fisch an der Angel!«
»Solange es nicht Moby Dick ist.«
»Und jetzt?«, fragte ich unsicher.
»Bitte die Seele zu dir rein. Sie erklärt dir dann schon, was sie will. Wenn sie Ärger macht, sagst du mir Bescheid, damit ich dir helfen kann.«
Panik fuhr mir in die Knochen.
»Cool bleiben, Lilian. Ich bin bei dir. Mach weiter. Sicher fällt dir gleich wieder ein, wie alles geht.«
Ich kam mir vor wie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal im Leben vom Dreimeterbrett springen soll. Vorsichtshalber griff ich nach Aldens Hand. Eine Dosis von seiner magischen Beruhigungswirkung konnte ich jetzt gut gebrauchen. Doch die Berührung bewirkte genau das Gegenteil. Hatte ich an ein Starkstromkabel gefasst?Mein ganzer Körper kribbelte und bebte. Was war das nun wieder? Ich sah Alden an. »Was ist denn los?«
»Ich … ehm. Das ist kompliziert. Moment mal.« Er schloss die Augen und atmete tief durch. Die elektrische Spannung, die durch meinen Arm zu jagen schien, wurde schwächer, und bald breitete sich wieder die friedliche Ruhe in mir aus, die ich bei Aldens Berührung schon öfter empfunden hatte. Machte er das alles mit Absicht?
»Was passiert da eigentlich, Alden. Kannst du das steuern?«
»Ja und nein.« Er holte tief Luft. »Ich kann dir ganz bewusst bestimmte Gefühle schicken; aber im Moment habe ich Probleme mit der Feineinstellung. In diesem Zyklus bin ich noch ziemlich jung, und es ist nicht einfach, immer alles unter Kontrolle zu haben. Meistens spürst du nur das, was du spüren sollst. Aber manchmal empfindest
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