Seelenflüstern (German Edition)
oder?«
Das stimmte. Ich hatte ewig nicht einschlafen können. Zaks wütende Worte und die Erinnerung an Aldens Kuss waren als Endlosschleife vor meinem geistigen Auge abgelaufen. »Mir geht’s ganz gut, Alden. Aber ich finde es nicht okay, dass du immer den Kopf hinhalten und dann auch noch die ganze Arbeit machen musst. Gestern hast du meiner Mutter weisgemacht, du wärest ganz allein an unserer Verspätung schuld. Und die Verantwortung dafür, dass ich noch nicht genügend Erlösungen geschafft habe, nimmst du auch auf dich. Das ist nicht fair.«
»Das ist mein Job.«
»Mieser Job.« Ich stellte die Sitzlehne weiter zurück, und Spook streckte sich auf meinem Schoß aus.
»Nein. Ein Traumjob.« Er räusperte sich und sah angestrengt auf die Straße. Aber ich erwischte ihn dabei, wie er hin und wieder einen heimlichen Blick auf meine Beine riskierte.
Die Schuluniform anzubehalten, war eine gute Entscheidung gewesen.
Alden bog in die Auffahrt zum Freeway ein. »Hast du heute schon was von Zak gehört? Gestern war er ziemlich sauer.«
»Woher weißt du das?«
Er öffnete ein Fach an der Konsole und zog einen iPod heraus. »Ich war da. Deine Seele hat regelrecht geschrien. Eigentlich wollte ich eingreifen, aber ich darf mich nicht in deine Beziehungen außerhalb des Jobs einmischen.«
Ich schob Spook ein wenig zurecht, weil ihre Krallen sich in meine Oberschenkel bohrten. »Es gibt keine Beziehung.«
»Das solltest du vielleicht Zak erklären; er sieht das nämlich ganz anders.« Alden stöpselte den iPod ins Armaturenbrett ein. »Such uns was aus, Lilian.«
Sein Gesicht verriet mir gar nichts, aber seine Stimme hatte einen Unterton, der vielleicht ein bisschen eifersüchtig klang. Ich lächelte, wählte ein Coldplay-Album aus und drehte mich so, dass ich Alden besser sehen konnte. Spook gab einen ärgerlichen Grunzton von sich.
Im Augenblick wollte ich nicht über Zak reden. Ich wollte nicht mal an ihn denken. »Erzähl mir von Maddi und Race.« Die Liste der Songs erschien auf dem Display.
»Was willst du denn wissen?«
»Wie lange kennst du die beiden schon?«
Er überholte einen Lastwagen. »Keine Ahnung. Erinnerungen aus vergangenen Leben sind wie Kindheitserinnerungen – je älter sie sind, desto verschwommener und auch weniger werden sie. Es gibt ziemlich viel, was ich einfach nicht mehr weiß.«
»Wo sind denn die Seelenflüsterer von Maddi und Race?«
»Race hat eine Seelenflüsterin, die immer um Jahrzehnte älter ist als er. Die zwei kommen überhaupt nicht gut miteinander klar. Am Anfang mochten sie sich ganz gern, glaube ich. Vielleicht sogar zu gern. Sie haben wohl ein paar Fehler gemacht und leiden nun seit Generationen unter den Folgen. Seine Seelenflüsterin arbeitet in der Statistikabteilung des RF; sie ist anscheinend eine Art Mathe-Genie. Für den RF gelten die beiden immer noch in jedem Zyklus als Team, aber dass sie wirklich zusammengearbeitet haben, ist ewig her. Keine Ahnung, warum der Rat den beiden keine anderen Partner gibt. Jedenfalls hat die Seelenflüsterin dadurch Zeit für komplizierte Berechnungen, und Race springt als Ersatzwächter ein. Das ist ein ziemlich wichtiger Job. Er vertritt kranke und verletzte Wächter und hilft bei Erlösungen, für die man mehr als einen Wächter braucht.«
»Mehr als einen?«
Alden warf mir einen Blick zu. »Ja. Für Dämonenaustreibungen braucht man mindestens zwei. Der eine muss in den Körper des Seelenflüsterers und der andere in den des Besessenen, sobald der Dämon richtig loslegt.«
Ich riss erschrocken die Augen auf.
»Keine Angst. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis du dich mit so etwas beschäftigst. Aufträge für Dämonenaustreibungen vergibt der RF direkt. Solange du dich nicht dafür bereit fühlst, können wir sie ablehnen. Und außerdem sind sie sehr selten.«
»Puh. Und was ist mit Maddi?«
Er lächelte. »Bei Maddi sieht es wieder ganz anders aus. Sie hat auch eine Seelenflüsterin. Dass zwei Frauen so eng zusammenarbeiten, ist eher ungewöhnlich. Zwischen den Seelen der beiden gibt es eine sehr starke Verbindung. Sie kommen trotz aller Hindernisse prima miteinander aus. Maddis Freundschaft mit Race hat die Situation allerdings deutlich entspannt.«
Ich legte den iPod auf die Konsole. »Wie meinst du das – entspannt?«
»Nicht jeder sieht es ganz locker, wenn zwei Frauen ständig zusammen sind. Seit Maddi Race im Schlepptau hat, ist alles einfacher. Aber es gibt immer noch Leute, die komisch
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